Germanwings-Chef Thomas Winkelmann im Interview "Die Zeit der 19-Euro-Tickets ist vorbei"

Düsseldorf · Germanwings-Chef Thomas Winkelmann spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Zukunft der Billigtickets, über die Standortnachteile in Deutschland und über Sinn und Unsinn eines Nachtflugverbotes.

 Thomas Winkelmann spricht im Interview über die Strategie bei der Lufthansa-Tochter Germanwings.

Thomas Winkelmann spricht im Interview über die Strategie bei der Lufthansa-Tochter Germanwings.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Warum will die Lufthansa ihren Europa-Verkehr nur noch mit der Billigtochter Germanwings abwickeln?

Winkelmann Der Konzern hat im Europageschäft jahrelang hohe Verluste eingeflogen. Germanwings fliegt zu deutlich geringeren Kosten. Und das trotz eines hohen Qualitätsniveaus.

Sehen Ihre Kunden das auch so?

Winkelmann Wir fragen die Zufriedenheit in monatlich 100.000 E-Mails ab. Rund 30.000 antworten. Die Zufriedenheit ist groß. Allerdings müssen viele Lufthansa-Stammkunden sich erst noch an die neue Welt gewöhnen — das wissen wir auch. Da, wo die Germanwings schon lange fliegt, ist die Zufriedenheit größer als an unseren neuen Standorten. Wir müssen nur die Vorurteile überwinden.

Aber die haben ja ihren Grund. Wie groß ist der Kostenunterschied zwischen Germanwings und Lufthansa?

Winkelmann Dieselbe Maschine auf derselben Strecke kostet den Konzern als Germanwings-Flug 20 bis 25 Prozent weniger als ein Lufthansa-Flug.

Merkt der Kunde die Sparsamkeit?

Winkelmann Wenn er nicht will, nicht. Wir bieten ja drei Tarife an: Er kann das Basic-Ticket zum tiefstmöglichen Preis kaufen und erhält dafür einen sicheren Flug von A nach B. Er kann das Smart-Ticket gegen etwa 20 Euro Aufpreis kaufen und erhält Freigepäck, einen Snack an Bord, mehr Beinfreiheit und den Wunschsitzplatz bereits bei Buchung. Und er kann das deutlich teurere Best-Ticket kaufen und bekommt in etwa das Komfortniveau einer Business-Class.

Wieviel kostet das billigste Ticket?

Winkelmann Je nach Buchungszeitpunkt und Strecke verkaufen wir Basic-Tickets ab 33 Euro. Etwa fünf Prozent unserer Tickets gehen zu diesem Preis weg.

Wieviel Prozent ihrer Fluggäste buchen die teureren Tarife?

Winkelmann Die Zahl geben wir nicht bekannt.

Wann ist die Umstellung in NRW abgeschlossen?

Winkelmann Ende 2014. In Düsseldorf beginnen wir zum Sommerflugplan Ende März 2014 mit der Stationierung unserer 26 Germanwings-Flugzeuge. Zusammen mit den 16 in Köln und dem einen in Dortmund sind wir dann der größte Carrier in NRW — wir werden allein aus NRW elf Millionen Passagiere pro Jahr an Bord begrüßen. Insgesamt wird Germanwings aus NRW 111 Destinationen anfliegen, bis zu 70 davon aus Düsseldorf.

Schafft Germanwings in Düsseldorf neue Arbeitsplätze?

Winkelmann Ja, wir bauen in Düsseldorf mehrere Hundert Arbeitsplätze auf.

In Düsseldorf gibt es erhebliche Widerstände gegen Nachtflüge. Ist das ein Problem für Airlines?

Winkelmann Das ist definitiv ein Problem. Wenn ein Jet in Übersee pünktlich startet, kann es sein, dass er bei guten Winden deutlich vor sechs Uhr in Düsseldorf ist. Langsamer fliegen kann er nicht, das heißt, er dreht seine Kreise über dem Münsterland, bis er in Düsseldorf landen kann. Das ist doch nicht im Sinne des Klimaschutzes. Genauso gibt es oft genug Fälle, bei denen voll besetzte Maschinen um 22.03 Uhr nicht mehr starten dürfen. Dann müssen alle Fluggäste wieder aussteigen und in Hotels untergebracht werden.

Sie haben mit Köln und Düsseldorf zwei Wartungsstandorte. Werden Sie diese zusammenlegen?

Winkelmann Nein. Es wird in Düsseldorf und in Köln jeweils einen eigenen Wartungsstandort mit eigenem Personal geben. In Düsseldorf heißt es: Der Flughafen Düsseldorf ist Feinkost, Köln ist Low Cost. Das ist schön für die Flughafengesellschaft in Düsseldorf, für die Airlines aber ein Problem. An kaum einem Standort sind die Gebühren so hoch wie in Düsseldorf. Entsprechend schwierig ist es für die Airlines, von Düsseldorf aus rentabel zu fliegen.

Bei der Lufthansa wird massiv Personal abgebaut, Sie stocken auf. Warum kritisieren die Gewerkschaften das Wechsel-Angebot?

Winkelmann An der Bezahlung liegt es jedenfalls nicht. Unter dem Strich verdient unser Bordpersonal ähnlich viel wie bei anderen Fluggesellschaften. Allerdings zu anderen Konditionen. So sind zum Beispiel unsere Flugbegleiter an den Bordverkäufen per Provision beteiligt.

Die arabische Airline Etihad will als Großaktionär von Air Berlin die Lufthansa auf dem Heimatmarkt angreifen. Wie gefährlich ist das?

Winkelmann Das ist sehr gefährlich. Die arabischen Wettbewerber sind allesamt Staatsunternehmen, die unter wesentlich günstigeren Bedingungen arbeiten. Dort sind Gewerkschaften zum Beispiel verboten, und auch die Flughäfen werden dort hoch subventioniert. Andere Wettbewerber melden ihre Crews auf irgendwelchen Kanalinseln an, um Steuern zu sparen.

Wollen Sie auch Staatshilfe?

Winkelmann Nein. Wir jammern nicht, aber die Rahmenbedingungen in Deutschland werden immer schwieriger. Uns zahlen die Gäste schließlich keinen Solidaritätsaufschlag, nur weil wir unsere Steuern in Deutschland zahlen und hier für Arbeitsplätze sorgen. Das sollte die Politik bedenken, die uns mit strengen Nachtflugverboten und der Luftverkehrssteuer das Leben schwer macht.

Warum bietet Germanwings keine Langstreckenflüge an?

Winkelmann Auf der Langstrecke können wir unsere Kostenvorteile nicht realisieren. Auf der Kurz- und Mittelstrecke sind die Umläufe viel schneller, die Flugzeuge sind viel länger in der Luft. Außerdem wird die Langstrecke über die großen Drehkreuze abgewickelt, die ohnehin schon ziemlich kostenoptimiert arbeiten. Da ist nicht mehr viel herauszuholen.

Warum ist Fliegen heute nichts besonderes mehr?

Winkelmann Früher war es ein teures Ereignis für wenige, heute ist es für viele Menschen Alltag. Dazu haben auch die Angebote der Billigflieger beigetragen. Doch der Preiskampf wurde überzogen, viele Angebote waren nicht kostendeckend. Deshalb rudern nun auch die aggressiven Airlines zurück. Die Zeit der 19-Euro-Tickets ist vorbei.

(RP)
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