Josef Hecken "Schmerzpatienten sollen nicht warten"

Der Vorsitzende des zentralen Gesundheits-Gremiums verspricht sich von einer Termingarantie beim Arzt eine Behebung der Zwei-Klassen-Medizin. Zudem fordert er eine stärkere Spezialisierung von Krankenhäusern.

Was halten Sie von der Termingarantie beim Arzt?

Hecken Die Regelung, wie sie im Koalitionsvertrag verankert ist, halte ich für sehr gut. Insbesondere bei Facharztterminen gibt es wohl unterschiedliche Wartezeiten für privat und gesetzlich Versicherte. Es ist ein unerträglicher Zustand, wenn Patienten beispielsweise mit Schmerzzuständen Wochen oder Monate auf einen Arzttermin warten müssen.

Die Ärzte meinen, Sie könnten das ohne Gesetz regeln . . .

Hecken Der Bundesgesundheitsminister hat darauf die richtige Antwort gegeben: Wenn Ärzte von sich aus unter der Frist von vier Wochen bei der Terminvergabe bleiben, kann eine gesetzliche Regelung sie nicht belasten.

Denken Sie, dass sich mit einer solchen Termingarantie die Probleme der Zwei-Klassen-Medizin beheben lassen?

Hecken Davon bin ich fest überzeugt. Wenn Ärzte entweder zeitnah Termine anbieten müssen oder aber die Patienten in eine Klinik gehen und damit auch das Budget von den Niedergelassenen zu den Krankenhäusern wandert, wird eine adäquate Terminvergabe auch für Kassenpatienten besser gelingen. Die Wartezeiten zwischen gesetzlich und privat Versicherten werden sich deutlich annähern.

Sind die Kliniken denn überhaupt darauf eingestellt, die Fälle zu übernehmen?

Hecken Es geht nicht darum, Menschen mit minder schweren Leiden am nächsten Tag einen Termin zu verschaffen. Es geht darum, dass Patienten, die zum Beispiel unter schweren Schmerzen leiden, schnell geholfen wird. Fristen für einen Arzttermin sollten nach Krankheitsstufen differenziert werden. Auf dieser Basis wären die Kliniken hinreichend vorbereitet.

Woher beziehen Sie die Erkenntnis, dass viele Schmerzpatienten lange auf Arzttermine warten müssen?

Hecken Uns liegt eine Vielzahl von Patienten-Beschwerden vor, die zwar nicht repräsentativ sind, die wir aber sehr ernst nehmen. Wir können eine Versorgung erster und zweiter Klasse nicht tolerieren.

Wie wird sich das neue Qualitätsinstitut bei den Versicherten bemerkbar machen, wenn es seine Arbeit aufgenommen hat?

Hecken Das neue Qualitätsinstitut, das die bisherige Arbeit des AQUA Institutes fortsetzt, wird sich auf die Versorgung der Versicherten deutlich positiv auswirken. Nach einer Anlaufphase erhoffe ich mir ebenso gute Analysen zur Qualität der Behandlungen in Kliniken und Praxen, wie es heute schon das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zum Nutzen von Medikamenten liefert.

Und konkret?

Hecken Ein einfaches Beispiel: Vor wenigen Monaten sind wir vor dem Bundessozialgericht damit gescheitert, dass Kliniken, die Frühchen unter 1250 Gramm Geburtsgewicht versorgen wollen, mindestens 30 solcher Geburten pro Jahr vorweisen müssen, um diese Versorgung anbieten zu dürfen. Diese Mindestmenge ist vor Gericht gescheitert mit der Begründung, dass es für den Zusammenhang von Qualität und Menge zwar wissenschaftliche Beweise gebe, nicht aber für die konkrete Mindestmenge von 30. Ich setze darauf, dass uns das neue Institut eben solche Daten auch für andere komplexe und planbare Eingriffe liefern wird.

Wird die Qualitätsoffensive die Krankenhauslandschaft in Deutschland verändern?

Hecken Davon bin ich fest überzeugt. Auch die geplanten Abschläge für geringe Qualität und die Zuschläge für hohe Qualität bei der Bezahlung der Krankenhausbehandlungen werden eine Steuerungswirkung entfalten. Die Kliniken werden dazu übergehen, Aufgaben zu verteilen und Schwerpunkte zu bilden. Wenn sich zwei benachbarte Krankenhäuser einigen, dass eine Klinik die Orthopädie und die andere Klinik die Herzchirurgie zum Schwerpunkt macht, wird das den Patienten zu Gute kommen.

Muss ich für eine Blinddarm-Operation dann künftig 80 Kilometer weit fahren?

Hecken Nein. Routineeingriffe soll jede Klinik weiterhin durchführen können. Die Grundversorgung und die Notfallambulanzen in der Fläche müssen gewährleistet sein.

Was sagen Sie zu "100 Tage Gesundheitsminister Hermann Gröhe?"

Hecken Einmal abgesehen davon, dass es mir nicht zusteht, die Arbeit des Gesundheitsministers zu bewerten, stelle ich fest, dass er sich schnell und sehr detailliert in die komplexe Materie eingearbeitet und sofort die richtigen Arbeitsschwerpunkte gesetzt hat. Zudem empfinde ich es als konstruktiv, dass jemand dieses Amt besetzt, der kritische und richtige Fragen stellt und die Themen aus neuer Perspektive betrachtet. Nach meiner Einschätzung macht er seine Arbeit sehr gut und wird viel für die Verbesserung der Versorgung erreichen.

EVA QUADBECK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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