Streitpunkt Erbschaftsteuer Der Staat und die Erben

Düsseldorf · Das Verfassungsgericht muss erneut die Erbschaftsteuer prüfen. Offenbar gelingt es dem Staat nicht, diese verfassungskonform zu gestalten, ohne Jobs zu gefährden. Der Staat sollte die Steuer streichen.

Was Sie zur Erbschaftsteuer-Reform wissen müssen
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Foto: ddp

Kaum eine Steuer ist so umstritten wie die Steuer auf Erbschaften. Dass der Staat vom laufenden Einkommen einen Teil einbehält, um gesellschaftliche Aufgaben zu finanzieren, wird gemeinhin akzeptiert. Aber darf der Staat auch eine Substanzsteuer erheben und Vermögen besteuern, das womöglich aus versteuertem Einkommen gebildet wurde?

Adam Smith, der Vordenker der Marktwirtschaft, sagt klar: Nein. Der schottische Nationalökonom aus dem 18. Jahrhundert sah in der Steuer ein Hindernis für die "Akkumulation von Kapital", wie er schrieb. Kapital aber war damals, zu Beginn der industriellen Revolution, besonders knapp. Und noch heute warnen Wirtschaftsverbände davor, die Erbschaftsteuer könne Investitionen behindern, wenn nicht gar Unternehmen vertreiben.

Marx will Erbe UND Privatvermögen versteuern

Linke Denker sehen das naturgemäß anders. Karl Marx zum Beispiel wollte nicht nur das Erbe versteuern, sondern das Privatvermögen, vor allem Produktionsmittel wie Fabriken, Maschinen und Ackerland, gleich verstaatlichen. Und noch heute gehört es zu den Standardforderungen linker Politiker, dass eine Vermögensteuer eingeführt und die Erbschaftsteuer erhöht werden müsse. Schließlich handele es sich ja hier um nicht erarbeitetes Vermögen, häufig in Millionenhöhe, heißt es oft.

Dieser grundlegende Streit schwingt in Deutschland immer mit, wenn die Erbschaftsteuer vor Gericht steht. Dafür hat jüngst wieder der Bundesfinanzhof (BFH) gesorgt, der das seit 2009 geltende Erbschaftsteuerrecht für verfassungswidrig hält und die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt hat.

Die Richter in Karlsruhe haben sich schon mehrfach mit der Steuer beschäftigt. Die Richter haben dabei festgestellt, dass die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen grundsätzlich mit der Verfassung zu vereinbaren ist. Aber mit den Regeln, wie besteuert wird, sind die Richter immer wieder unzufrieden. 2006 kippten sie das damalige Erbschaftsteuerrecht, weil es Immobilien und Betriebsvermögen gegenüber etwa Geldvermögen ungleich behandele. Die große Koalition schuf daraufhin ein neues Gesetz. Danach können Firmen weitgehend steuerfrei vererbt werden, wenn sie mit gleicher Beschäftigung weitergeführt werden. Doch auch diese Regel "überprivilegiere" Betriebsvermögen in verfassungswidriger Weise, meint nun der Bundesfinanzhof.

Seine Argumente:

Erstens: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Erbschaftsteuer "typischerweise die Betriebsfortführung gefährde". Daher sei es unzulässig, alle Betriebserben unabhängig von ihrer individuellen Leistungsfähigkeit von der Steuer freizustellen.

Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium argumentiert ähnlich. Er meint sogar, eine gravierende Bedrohung von Arbeitsplätzen habe sich in der Vergangenheit nicht beobachten lassen. Diese Feststellung ist merkwürdig, da bislang Firmenvermögen weitgehend verschont wurde. Das könnte sich aber ändern, wenn nun der Fiskus zugreift.

Zweitens: Der BFH hält die jetzige Regelung für missbrauchsanfällig. Danach kann ein Erblasser, der viel Bargeld vererben möchte, eine "Cash GmbH" gründen und sein ganzes Bargeld dort als Betriebsvermögen parken. Wer diese GmbH erbt, bleibt steuerfrei. Wer dagegen das Bargeld direkt erbt, muss nach derzeitigem Recht Erbschaftsteuer zahlen.

Dass es hier Missbrauch gegeben hat, beklagt auch der Verband der Familienunternehmer. Er hält aber den geplanten Bundesrats-Vorstoß für realitätsfremd. Einige Länder wollen per Bundesrat erreichen, dass nur solche Firmen steuerfrei vererbt werden dürfen, deren liquide Mittel nicht mehr als zehn Prozent des Betriebsvermögens ausmachen. Reiche dürften ihr Privatvermögen nicht in Firmen verstecken, meint NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD).

Am Ende stellt sich damit die Frage: Wenn der Staat es nicht schafft, das Erbschaftsteuerrecht verfassungsgemäß zu formulieren, ohne zugleich Betriebe außer Landes zu treiben, warum lässt er diese Besteuerung nicht ganz? Der Ertrag ist ohnehin gering. Gut vier Milliarden Euro bringt die Erbschaftsteuer jährlich ein. Das entspricht nicht einmal einem Prozent des gesamten deutschen Steueraufkommens.

(RP/felt/das)
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