Thomas Hegel im Interview "Energiewende gefährdet preiswerten Wohnraum"

Die LEG vermietet über 90.000 Wohnungen in NRW. Konzernchef Thomas Hegel will noch in diesem Jahr in den MDax aufsteigen. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er auch über die Energiewende.

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Foto: dapd

Warum wird Wohnen immer teurer?

Hegel Weil zu wenig gebaut wird und weil die Vermieter ständig mit neuen Kosten belastet werden, die sie an die Mieter weitergeben müssen. Hinzu kommen die steigenden Betriebskosten.

Was sind denn die größten Kostentreiber bei den Kaltmieten?

Hegel Vor allem die energetischen Sanierungen, die durch neue gesetzliche Auflagen notwendig werden. 2012 haben wir rund 80 Millionen Euro in die Modernisierung und Instandhaltung unserer Gebäude investiert, pro Wohnung im Durchschnitt also rund 840 Euro.

...die Sie nun auf die Mieter abwälzen...

Hegel Nein. Gesetzlich wäre es erlaubt, elf Prozent auf die Nettokaltmiete umzulegen. Wir achten aber darauf, dass die Kosten für die Mieter tragbar bleiben. Man muss nicht zwingend jede Fassade dämmen. Sonst gäbe es für die Mitte der Gesellschaft bald keinen bezahlbaren Wohnraum mehr. Bei der LEG sind die Netto-Kaltmieten im letzten Jahr um 1,5 Prozent auf durchschnittlich 4,86 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Wir liegen wir im landesweiten Schnitt rund 80 Cent unter der aktuellen NRW-Durchschnittsmiete von 5,73 Euro pro Quadratmeter. In Zukunft streben wir Mietanpassungen im Schnitt von zwei bis drei Prozent pro Jahr an.

Gefährdet die Energiewende den preiswerten Wohnraum in Deutschland und NRW?

Hegel Ja, und zwar erheblich. Das Angebot wird kleiner. Wenn hier nicht umgesteuert wird, gibt es für Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen bald immer weniger bezahlbaren Wohnraum, vor allem in Ballungsräumen.

Was halten Sie von der "Mietpreisbremse"?

Hegel Nichts. Auch wenn die LEG kaum betroffen wäre: Die Pläne sind ein Eingriff in die Gestaltungsmöglichkeiten der Wohnungswirtschaft. Letztlich würden Investitionen verhindert, weil die Investoren geringere Chancen haben, eine adäquate Rendite zu erzielen.

Ist der Wohnungsmarkt überhitzt?

Hegel Nein. Wir erleben aber eine große Nachfrage in Ballungsräumen wie Düsseldorf, mit der die Neubauaktivitäten nicht Schritt halten. Das liegt auch an den hohen Neubaukosten, die zurzeit zwischen 1500 und 2000 Euro pro Quadratmeter liegen — zuzüglich Grundstückskosten. Auch das hängt mit den hohen energetischen Anforderungen zusammen, deren Umsetzung eben viel Geld kostet. Meine Prognose: Wohnungen werden in Ballungsräumen künftig noch knapper.

Wie kann Geringverdienern in Ballungsräumen geholfen werden?

Hegel Die Kommunen müssen mehr Flächen für preiswertes Bauen zur Verfügung stellen. Auch der Bund kann hierbei helfen: Laut Gesetz darf der Bund seine Grundstücke, wie etwa nicht mehr genutzte Militärgelände, nur zum vollen Wert abgeben. Würde der Bund sie — unter Auflagen — preiswerter verkaufen, könnte die Bundesregierung einen sinnvollen Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot leisten. Investoren wiederum könnten günstiger bauen und vermieten.

...oder einfach trotzdem weiter teuer vermieten und sich höhere Margen einstecken...

Hegel Nicht unbedingt. Wie im sozialen Wohnungsbau könnte man eine moderate individuelle Vereinbarung für die Mieten für einen bestimmten Zeitraum finden. In Ballungsräumen mit großer Wohnungsknappheit brauchen wir ein neues Marktsegment zwischen dem sozialen und dem frei finanzierten Wohnungsbau: ich nenne das den regulierten Wohnungsbau. Staat und Kommunen geben preiswerten Baugrund an Investoren ab, die im Gegenzug moderate Auflagen bei der Vermietung akzeptieren.

Mit 250 000 Mietern sind Sie der drittgrößte Vermieter in NRW. Wie sieht der typische LEG-Mieter aus?

Hegel Wir haben in unseren Beständen das gesamte Spektrum: vom Hartz-IV-Empfänger bis zum gut verdienenden Akademiker. Der Durchschnittsmieter dürfte ein Facharbeiter sein, der alleine oder mit seiner Frau in einer 65-Quadratmeter-Wohnung lebt und ein Netto-Einkommen von rund 2000 Euro hat. Dieser Modell-Mieter wäre rund 55 Jahre alt und sehr zufrieden, weil er eine Wohnung bewohnt, die im Vergleich zu anderen Angeboten auf dem Wohnungsmarkt in der Regel ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis besitzt.

Das Land hat die LEG im Jahr 2008 verkauft, seit wenigen Wochen sind Sie an der Börse notiert. Wer ist der bessere Eigentümer: Das Land oder die Aktionäre?

Hegel Auf jeden Fall die Aktionäre. Die LEG war früher oft der Spielball politischer Interessen, zumal sie mit ihren vielen Geschäftsbereichen auch in der Stadtentwicklung, im Development und im Bauträgergeschäft) unterwegs war. Heute konzentrieren wir uns ausschließlich auf unsere Wohnungen und Mieter. Den Erfolg der Privatisierung sieht man auch an den stabilen Erträgen, die die LEG heute erwirtschaftet, ohne wie früher Wohnungsbestände verkaufen zu müssen und damit aus der eigenen Substanz zu leben.

Aber die Mieter waren glücklich...

Hegel Sowohl unsere Leerstandsquote als auch unsere Fluktuation liegen deutlich unter dem Durchschnitt im Wohnungsmarkt. Im Schnitt wohnen unsere Mieter zwölf Jahre bei uns. Das zeigt: Unsere Mieter fühlen sich bei der LEG wohl.

Die LEG gilt jetzt sogar als Kandidat für den MDax. Wann ist es soweit?

Hegel In der Tat hoffen wir, dass die Deutsche Börse uns in den MDax aufnimmt. Das wäre eine tolle Botschaft an unsere Investoren und eine große Anerkennung für unsere Mitarbeiter, die den Wandel der LEG vom Staatsunternehmen zu einem Privatkonzern vorbildlich gestaltet haben. Ob es schon im Juni oder erst im September so weit ist, entscheidet aber am Ende die Börse.

Das Interview führten Thomas Reisener und Florian Rinke.

(tor)
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