Düsseldorf Alle Räder stehen still, wenn die GDL es will

Düsseldorf · Mit der Androhung des längsten Streiks in der Geschichte der Bahn erreicht der Tarifkonflikt eine neue Qualität.

Verspätung wegen Bahnstreik: Das sind Ihre Rechte
Infos

Verspätung wegen Bahnstreik – das sind Ihre Rechte

Infos
Foto: dpa, rwe htf

Ende der 90er Jahre warb der Staatskonzern mit dem eingängigen Slogan "Die Bahn kommt". In den kommenden Tagen würde sich so mancher Kunde wünschen, das Versprechen von damals hätte noch Bestand. Doch dank der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) könnten schon bald kaum Bahnen verkehren. Der Schaden dürfte in die Millionen gehen.

Der angedrohte Streik ist der vorläufige Höhepunkt in einem Tarifstreit, der kaum verzwickter sein könnte. Doch was ist der Grund dafür, dass die ohnehin als angriffslustig geltende GDL diesmal noch mehr als sonst auf Krawall schaltet? Ausgangspunkt ist das Auslaufen des sogenannten Grundlagentarifvertrags, der der Bahn über Jahre Ruhe bescherte. In diesem Dokument war detailliert festgehalten, welche Gewerkschaft für welche Berufsgruppe verhandelt: die GDL für die Lokführer, die deutlich größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für die übrigen Berufsgruppen. Doch der Vertrag hatte nur eine Laufzeit bis Juli 2014.

Nach dem Auslaufen gingen die Gewerkschaften daran, das Fell des Bären neu zu verteilen. Das ging allerdings nicht sittsam, sondern im Streit vonstatten. Die GDL erhob erstmals Forderungen für Zugbegleiter, Disponenten, Bordgastronomen und Personaltrainer, die EVG wollte fortan auch wieder für die Lokführer Gespräche führen.

Damit rückt für den Konzern ein Alptraum immer näher: zwei Gewerkschaften, die für ein- und dieselbe Gruppe unterschiedliche Tarifverträge aushandeln. Was in anderen Branchen - etwa bei der Lufthansa oder im Klinikbereich - längst gang und gäbe ist, fürchtet die Bahn wie der Teufel das Weihwasser. Und so begann eine Hängepartie sondergleichen: Die Bahn legte in Gesprächen mit der GDL zunächst inhaltliche Angebote nur für die Lokführer vor, erklärte sich aber grundsätzlich dazu bereit, auch für andere Gruppen zu verhandeln. Das Hin und Her wurde Woche für Woche undurchsichtiger. Nach mehreren Warnstreiks, einer Urabstimmung und vier echten Streiks ist das Management inzwischen auf einen neuen Kurs eingeschwenkt: Ja, man verhandele mit EVG und GDL getrennt über ein- und dieselben Berufsgruppen, wolle aber zu wortgleichen Ergebnissen kommen. Genau diese Einschränkung stößt der GDL bitter auf. Sie befürchtet, dass es so keine echten Verhandlungen gäbe, ihr womöglich am Ende einfach EVG-Abschlüsse aufgezwungen würden.

Zudem heizt das geplante Gesetz zur Tarifeinheit den Konflikt an. Künftig soll pro Betrieb nur noch die jeweils größte Gewerkschaft Tarifverträge abschließen, die anderen dürften faktisch nicht mehr streiken. Da bestehende Verträge Bestandsschutz erhalten sollen, entsteht ein Zeitdruck, vorher noch zu einem Abschluss zu kommen. Das Gesetz soll spätestens bis zur Sommerpause verabschiedet werden.

In diesem Umfeld gestalten sich Verhandlungen schwierig. Anstatt über Inhalte zu sprechen, überschütten sich die "Tarifpartner" gegenseitig mit öffentlichen Schuldzuweisungen. Während GDL-Chef Claus Weselsky gestern erklärte, das Schwarze-Peter-Spiel müsse endlich aufhören, veröffentlichte Seine Öffentlichkeitsabteilung erneut einen Briefverkehr mit der Bahn, mit dem die Gewerkschaft ihre Verhandlungsbereitschaft und die Blockade des Bahn-Managements beweisen wollte.

Doch inzwischen wird es immer einsamer um Weselsky und die seinen: So warnte etwa NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD), selbst Gewerkschafter, die GDL vor einer unnötigen Eskalation. Ungleich schwerer dürfte der drohende Liebesentzug durch den Deutsche Beamtenbund wiegen. Deren Chef Klaus Dauderstädt forderte ungewöhnlich scharf eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Der Rückhalt für Weselskys Kurs schwindet.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort