Neue Tennis-Traumehe? Warum es mit Boris Becker und Novak Djokovic klappen kann

Düsseldorf · Boris Becker wird Trainer des langjährigen Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic. Besonders in Deutschland sind die Zweifel an der Fruchtbarkeit dieser Beziehung groß, dabei sind die Erfolgsaussichten des Duos gar nicht mal so gering.

Becker wird Trainer von Djokovic: Reaktionen
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Foto: afp, HECTOR MATA

"Ach Mann, Boris", ging es doch fast allen sportbegeisterten Deutschen, die auch schon in den späten 80ern und 90ern aufgenommen hatten, was sich damals auf den Sportplätzen dieser Welt abspielte, in den vergangenen Monaten das ein ums andere Mal durch den Kopf. Da war er, der ehemalige Tennisstar, ach was, die Tennislegende Boris Becker und kämpfte nun vor laufenden Kameras mit zwei Fliegenklatschen am Kopf befestigt gegen Brachial-Comedian Oliver Pocher oder twitterte wieder einmal irgendwas über irgendwen — und das irritierend häufig.

Aber Becker war immer mehr für seine Fans, für den ganzen Sport. Mit Becker konnte man leiden, zittern, mitfühlen. Zahllose Tennis-Krimis hat er seinen Zuschauern beschert, scheinbar aussichtslose Matches doch noch nach stundenlangem Kampf gewonnen und so für Gänsehaut-Momente am Fließband während seiner langen Karriere gesorgt.

Pressestimmen zum Tennis-Duo Becker/Djokovic
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Im Spott über die Eigen-Demontage des einstigen Idols schwang bei dem hilflosen Zuschauer auch immer ein wenig Wehmut und Enttäuschung mit. Gerade in Deutschland kam es dem objektiven Betrachter doch zuweilen so vor, als ob Becker nun deutlich mehr Zeit auf diversen Premierenfeiern, am Pokertisch oder eben auf Twitter verbrachte, als er jemals damit beschäftig gewesen war, gegen den gelben Filzball zu schlagen.

Und nun das: Becker wird tatsächlich Trainer vom langjährigen Tennisprimus Novak Djokovic. Das teilte der Serbe am Mittwoch per Pressemitteilung mit. Tennisplatz statt Roter Teppich, Loge in Wimbledon statt TV-Studio in Hürth, Schläger statt Handy — Beckers Leben wird sich ändern. Es muss sich zumindest ändern, wenn er bei seiner neuen Aufgabe erfolgreich sein will.

Großartiger Kommentator

Im Ausland hielt sich die Verwunderung über die Personalie in Grenzen. Hinter den deutschen Grenzen sehen die Menschen immer noch den 17 Jahre alten Wimbledonsieger mit den roten Haaren aus Leimen, "Bum Bum Boris" eben. Die Fans oder Experten aus dem Ausland haben hier einen gewaltigen Vorteil: Sie sehen Beckers Eskapaden auf allen Kanälen einfach nicht.

Becker war und ist dort weiterhin der Tennisheld. Ein talentierter Leistungssportler, der 49 Turniertitel, sechs Grand-Slam-Turniere und eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewann. Und wenn Ivan Lendl jetzt erfolgreich Andy Murray trainiert, warum sollte dann nicht Lendls langjähriger Rivale einen von Murrays ambitioniertesten Gegenspielern trainieren? Ein ganz normaler Vorgang.

Bei dem alt-ehrwürdigen britischen Sender BBC fungiert der 46 Jahre alte Becker als Tennisexperte — und macht das grandios. Im feinsten Englisch führt er souverän durch die Matches, trotz seines Hangs zur Show glänzt er mit seinem Know-how und der jahrelangen Erfahrung auf der Tour. Eben das kann Djokovic ungemein helfen.

Becker punktet mit jahrelanger Erfahrung

Einen ehemaligen Champion in der Loge sitzen zu haben, ist mittlerweile ein bekanntes Prozedere. Roger Federer, selten mit einem Trainer zu sehen, nahm zeitweise Tony Roche bei den Grand Slams zur Unterstützung mit. Rafael Nadal hat seit jeher neben Onkel Toni, der ihn trainiert, in Manager Carlos Costa einen ehemaligen Top-Ten-Profi an seiner Seite. Lendl hat den Briten Murray sogar zum Olympia- und Wimbledon-Triumph gecoacht. Selbst Jimmy Connors war als Trainer von Andy Roddick und Maria Scharapowa tätig.

Tennis zu verstehen oder Tennis zu vermitteln ist dabei nicht die Kunst. Diese ehemaligen Profis haben die nötige Erfahrung von Dutzenden Grand-Slam-Turnieren, sie kennen sich schlicht auf der ATP-Tour aus. Becker gehört fraglos in diese Gruppe. "Er ist eine großartige Persönlichkeit. Er verfügt über ein großes Tennis-Wissen und seine Erfahrung wird mir helfen, neue Trophäen zu gewinnen. Ich bin sicher, dass er hervorragend in unser Team passen wird", erklärt Djokovic auf seiner Homepage entsprechend.

Folgerichtig soll Becker den Serben 2014 auch nur bei zwölf Turnieren vor Ort unterstützen, darunter die Grand Slams, Turniere der Masters-Serie und beim Saisonabschluss in London.

Djokovic kann und muss sich weiterentwickeln

Neben seiner Erfahrung kann Becker dem Weltranglisten-Zweiten vor allen Dingen noch bei einer Schwäche aushelfen: Djokovic hat verhältnismäßig schwache Volleys. Zwar spielt er enorm gute Grundlinienschläge, er muss aber immer wieder hohes Risiko gehen, da er sie nicht als Angriffsschläge versteht, um dann den Gegner mit gut gesetzten Volleys noch mehr in Bedrängnis zu bringen.

Die große Stärke Beckers war hingegen — neben dem guten Aufschlag — das Spiel am Netz. Er vollierte sehr gut, deckte den Platz perfekt ab (unvergessen bleibt der Becker-Hecht) und bereitete seine Angriffe auch immer mit gutem Timing vor. Diese spielerische Qualität konnte Marian Vajda, der bisherige Head Coach, Djokovic nicht auf höchstem Niveau beibringen. Trotz offensichtlicher Bemühungen.

Es muss den Serben ärgern, dass er mit seinem Spiel mittlerweile an Grenzen stößt. Spieler wie Nadal, Murray, Federer und auch Juan Martin del Potro konnten ihm auch an seinen besten Tagen gefährlich werden. Dabei hat Djokovic noch offensichtliches Verbesserungspotential.

Nun soll also Becker dieses Potential wecken. Mit einem erfolgreichen Engagement als Trainer könnte er sich auch wieder den Respekt bei den deutschen Sportfans erarbeiten. "Vielen Dank für die Glückwünsche an Djokovic und mich für unsere künftige Partnerschaft. Lasst uns anfangen", schrieb Becker nach der Bekanntgabe der Zusammenarbeit — auf Twitter.

Thanks for all the best wishes for @DjokerNole and @TheBorisBecker regarding our new partnership !!!! Let's get started........

(can/cfk)
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