Die Schlinge zieht sich zu Fifa-Mann im Schwarzmarkt-Skandal unter Verdacht

Rio des Janeiro · Die Polizei gräbt immer tiefer, die Fifa verharrt: Im millionenschweren Skandal illegal verkaufter WM-Tickets kommt auf den Weltverband Ungemach zu.

 Die Polizei hat im Zuge der Ermittlungen rund 50.000 Telefonate abgehört.

Die Polizei hat im Zuge der Ermittlungen rund 50.000 Telefonate abgehört.

Foto: afp, YC/ ms/acw

Joseph S. Blatter lächelte, streckte als Beweis seiner Unschuld die Arme in die Höhe und sagte: "Ich weiß von nichts!" Beim millionenschweren Skandal um illegal verkaufte WM-Tickets ist auch der Weltverband ins Zwielicht geraten. Doch der Fifa-Präsident wäscht wie immer seine Hände in Unschuld, während die Ermittler der "Operation Jules Rimet" den mysteriösen Drahtzieher in den Reihen des Weltverbandes jagen.

Fifa gibt sich wortkarg

Eintrittkarten seien nicht sein Ding, er müsse sich um politische Dinge kümmern, erklärte der 78 Jahre alte Blatter kurz angebunden der Tageszeitung Estadao, die ihn in Rio de Janeiro abgegriffen hatte. Dann beschrieb sie ausführlich die "Ich weiß von nichts"-Geste des Fifa-Bosses. Blatter mauert, und mit ihm seine Untertanen. "Wir haben nichts zu kommentieren. Es gibt doch nur Gerüchte", sagte Fifa-Sprecherin Delia Fischer.

Dabei ist nun auch ein hochrangiges Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees ins Blickfeld der Ermittler geraten. Im Internet kursieren Fotos, die eine angeblich bei der Operation sichergestellte Eintrittskarte zeigen: Auf dieser ist der Name Humberto Mario Grondona zu sehen. Der Sohn des argentinischen Verbandspräsidenten Julio Humberto Grondona verneinte eine direkte Verwicklung in den Fall. Sein Vater sitzt seit 1988 im Exekutiv-Komitee und ist Senior-Vizepräsident der Fifa.

Auskunftigsfreudiger ist die ermittelnde Sonderkommission, weil Jose Massih, ein bei der "Operation Jules Rimet" Verhafteter, als Kronzeuge den Mund aufgemacht hat. "Er hat den ersten Vornamen genannt, aber noch halten wir den geheim", sagte Polizeichef Fabio Barucke, der den Übeltäter aus den Reihen der FIFA nun zweifelsfrei identifizieren will.

Massih war mit dem Bandenführer Mohamadou Lamine Fofana, der mit Geschäften und Freundschaftsdiensten Kontakte zur elitären Fußball-Gesellschaft pflegte, sowie neun weiteren Verdächtigten am vergangenen Dienstag bei Razzien in Rio de Janeiro und Sao Paulo festgenommen worden. Und was Barucke sonst noch zu berichten weiß, lässt auf einen Skandal gewaltigen Ausmaßes schließen.

Ticketmafia treibt ihr Unwesen

Die Ticketmafia treibt ihr Unwesen bereits seit der WM 2002. In Brasilien sollen nun Eintrittskarten für alle 64 Turnierspiele angeboten worden sein, ein begehrtes Finalticket gar für umgerechnet 11.500 Euro. Die Verkaufspreise lagen zwischen 200 und 1000 Prozent über dem regulären Preis.

Die "Operation Jules Rimet" startete vor drei Monaten. Seitdem wurden rund 50.000 Telefongespräche abgehört, über die Hälfte davon schon ausgewertet. "Die Untersuchung lief bislang geheim. Aber jetzt beziehen wir auch die Fifa ein. Auch, damit sie die Form der Ticketverteilung überdenkt", sagte Barucke. Weitere Verhaftungen, betonte er, seien nicht auszuschließen.

Die sichergestellten Tickets sind mittlerweile auf dem Tisch von Thierry Weil gelandet. "Wir werden die beschlagnahmten Karten auf ihre Echtheit überprüfen und die Behörden bei der Identifizierung der Quellen der Karten unterstützen", erklärte der für die Eintrittskarten zuständige Fifa-Marketing-Direktor.

Eine Erklärung, warum Bandenchef Fofana einen offiziellen Fifa-Parkausweis in seinem Wagen hatte, konnte aber auch Weil nicht geben. Fofana sei nicht für die WM akkreditiert und habe auch keinen Zugriff auf den Wagen-Pool der Fifa, meinte Weil.

Also muss auch hier jemand nachgeholfen haben. Wie bei der Abzweigung der Tickets aus den Frei-Kontigenten des Weltverbandes für VIPs, Sponsoren und WM-Teams. Laut Estadao hat Fofana am Swimmingpool des mondänen Copacabana Palace, dem Stammquartier der Fifa in Rio, die Aushändigung der Tickets ausgehandelt und die noch original verpackten Pakete in einem abgeschirmten Hotel-Saal entgegengenommen.

Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, müssen sich selbst brasilianische Fußballgrößen unangenehme Fragen stellen lassen. Stars wie die Ex-Weltmeister Dunga, Jairzinho und Carlos Alberto Torres, die am 17. Juni Gäste auf einer Privatparty Fofanas waren, oder der frühere Bremer Bundesliga-Profi Junior Baiano, der dem Franko-Algerier ein Apartment vermietet hat, sollen in den nächsten Tagen als Zeugen geladen werden.

Die Fifa bekräftigte am Freitag noch einmal die Androhung von Strafen für den Fall, dass gegen das Verbot des Weiterverkaufs von Tickets außerhalb der offiziellen Fifa-Verkaufskanäle verstoßen werde. "Wir müssen noch feststellen, woher die Karten stammen und über welche Wege sie rausgingen", sagte Fifa-Srecherin Fischer, die erklärte: "Die Personen können zur Verantwortung gezogen werden. Dann werden Karten für alle weiteren Spiele gesperrt."

(sid)
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