DFB-Dokumentation über WM-Titel "Die Mannschaft" ist ein langweiliger Imagefilm

Meinung | Düsseldorf · Das muss man erst einmal schaffen: Deutschland wird zum vierten Mal Weltmeister und der DFB setzt eine Dokumentation über den Titelgewinn grandios in den Sand. Am Freitag lief in der ARD nichts anderes als ein Imagefilm – und zwar nicht einmal ein gut gemachter.

So reagiert das Netz auf "Die Mannschaft"
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Foto: dpa, nic kat sab

Das muss man erst einmal schaffen: Deutschland wird zum vierten Mal Weltmeister und der DFB setzt eine Dokumentation über den Titelgewinn grandios in den Sand. Am Freitag lief in der ARD nichts anderes als ein Imagefilm — und zwar nicht einmal ein gut gemachter.

Wer der Weltmeister-Doku "Die Mannschaft" mit Nachsicht begegnen will, kann wenigstens feststellen, dass sie sich nahtlos in ein rumpeliges Halbjahr nach dem Titelgewinn fügt. Doch mit Nachsicht in den sozialen Netzwerken war bei der TV-Premiere des 90-Minüters nicht zu rechnen — Twitter und Co. kannten tatsächlich kaum bis kein Erbarmen.

Der Film nährt das Gefühl, dass das Warten auf den Erfolg erquickender war als die Feierei danach. Bereits zum Kinostart hatte das Feuilleton nicht mit Verrissen gegeizt. Die "Frankfurter Allgemeine" schrieb von einem "'Traumschiff'-Landausflug mit prominenten Fußballern" und sah in dem Zweck des Films unter anderem "Gedächtnisstützen vielleicht auch für diejenigen, welche im Vollrausch auf der Fanmeile das eine oder andere Detail verpasst haben".

Nun könnte man auf die Idee kommen, zu fragen, seit wann das Feuilleton Imagefilme von millionenschweren Sportverbänden rezensiert. Der DFB hat "Die Mannschaft" nicht in die Hände eines externen Regisseurs gelegt wie 2006, als Sönke Wortmann "Deutschland. Ein Sommermärchen" drehte. Federführend war die Medienabteilung des Verbandes — die ARD bereitete am Freitagabend eine publikumsträchtige Bühne zur Primetime, 7,46 Millionen Menschen sahen zu.

Doku transportiert Nicht-Gefühle

Nichtsdestotrotz hätte "Die Mannschaft" ein sehenswerter WM-Rückblick werden können. Nämlich dann, wenn er es geschafft hätte, die mulmigen Begleiterscheinungen auszublenden, weil im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein Produkt aus der DFB-Medienabteilung gesendet wird. Es wäre in gewissem Maße zu verkraften gewesen. Stattdessen transportierte die Doku lediglich Nicht-Gefühle. Der langweilige Bilderteppich — sanft und stetig wie eine Fährfahrt ns Campo Bahia — wirkte geradezu entzaubernd. Er gab dem Zuschauer erst die Gelegenheit, darüber nachzudenken, dass der Film furchtbar misslungen ist.

Als Bastian Schweinsteiger dann noch aufrichtig Fifa-Präsident Sepp Blatter dankt, dass er die WM nach Brasilien vergeben hat (des schönen Wetters wegen!), verkommt der Image- zum Propagandafilm. Na klar, der DFB war in letzter Instanz auf den Segen des Weltverbandes angewiesen. Kurz zuvor hatte Oliver Bierhoff bereits in Kolonialherren-Manier vom Treffen mit Pataxo-Indianern geschwärmt. Überhaupt darf Bierhoff zu viel schwärmen, so verkommt "Die Mannschaft" obendrein noch zu einem Selbstbeweihräucherungs-Exzess des DFB-Managers.

Nicht einmal mehr den Original-Spielszenen gelingt es, das glattgebügelte Geplänkel zu durchbrechen. Normalerweise lässt sich der Gänsehaut-Modus ja anpfeifen wie ein Fußballspiel. Fans sind den Emotionen ausgeliefert wie den Glücksdrogen in Aldous Huxleys "Schöne neue Welt". Eingebettet in diesen Rahmen wirkt das Geschrei der Reporter Gerd Gottlob, Tom Bartels und Co. jedoch noch distanzloser, noch mehr nach Jubelperser-Attitüde als bei der Live-Übertragung. Wer "Die Mannschaft" nicht im "Schland-Fanmeilen-Modus" mit Irokesen-Perücke verfolgt, fühlt sich geradezu entfremdet von diesem Erfolg, der ja nicht weniger ist als der größte, den es im Mannschaftssport zu erreichen gibt.

Ein halbes Jahr danach haben 90 Minuten in der ARD den Triumph von Rio de Janeiro weiter entzaubert. Es braucht nicht nur Sönke Wortmanns "Sommermärchen" für die leise Erkenntnis: Dritte Plätze waren vielleicht gar nicht so schlimm.

(jso)
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