Frankreich gewinnt 3:0 gegen Deutschland Schwarze Serie hält an: Lektion für Völler-Team

Gelsenkirchen (rpo). Das war eine Lehrstunde allererster Güte für das Völler-Team: Gegen Europameister Frankreich gab es für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eine dicke Packung - die achte in Folge gegen einen vermeintlich "Großen". Statt mit Rückenwind geht es mit reichlich Frust in die dreimonatige Länderspielpause.

Nationalteam: Rudis Jungs bekommen Grenzen aufgezeigt
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Es sollte das Ende einer schwarzen Serie werden - und wurde eine Lehrstunde allererster Güte: Sieben Monate vor der Europameisterschaft in Portugal und zum Abschluss des Jahres 2003 wurden Vize-Weltmeister Deutschland von einer Topnation des Fußballs wieder einmal brutal die Grenzen aufgezeigt. Anstatt mit Rückenwind und Selbstvertrauen in die dreimonatige Länderspielpause zu gehen, sorgte das 0:3 (0:1) gegen Europameister Frankreich und die achte Pleite in Folge gegen einen Großen bei der deutschen Nationalmannschaft für reichlich Frust und Ernüchterung.

Weit von der Weltspitze entfernt

Insbesondere die 45-minütige Demütigung nach der Pause zeigte DFB-Teamchef Rudi Völler deutlich auf, dass sein Team trotz der souveränen Qualifikation für die Euro 2004 (12. Juni bis 4. Juli) und des zweiten Platzes bei der WM immer noch weit von der Weltspitze entfernt ist und den Ansprüchen hinterherhinkt.

"Nach 60 Minuten haben wir uns ergeben, da haben wir wieder mit der gleichen Ängstlichkeit gespielt wie vor einigen Jahren in Frankreich. Das hat mich richtig geärgert. Nach dem 0:2 hat mir der Sauhund-Effekt gefehlt, nach dem Motto, von denen lassen wir uns nicht vorführen", meinte Völler und gestand somit ein, dass die DFB-Auswahl seit dem 0:1 in Paris im Februar 2001 auf der Stelle tritt: "Es wird noch eine Weile dauern, bis wir dahin kommen, wo die Franzosen sind."

Auch wenn Völler bemüht war, die ordentliche Leistung vor der Pause in den Vordergrund zu stellen, merkte man dem Teamchef doch die Enttäuschung über die indiskutable Leistung seiner Stars nach dem Wechsel an. "Das tut schon weh und war bitter."

Auch Bernd Schneider stellte nach Gegentreffern von Thierry Henry (20.) sowie David Trezeguet (56./81) resigniert fest, dass dies "spielerisch frustrierend" gewesen sei. Insbesondere der überragende Zinedine Zidane und Henry hatten die 53.574 Zuschauer in der ausverkauften Arena AufSchalke mit ihrer spielerischen Klasse begeistert und die DFB-Auswahl in ihren neuen schwarzen Trikots zum Teil lächerlich gemacht.

Ballack: "Wir waren viel zu naiv"

"Das Ergebnis sagt doch alles. Wir waren zu naiv und haben gezeigt, dass wir als Mannschaft noch nicht gefestigt sind", kommentierte der enttäuschende Michael Ballack die Pleite. Und auch Rückkehrer Jens Nowotny, der nach 19-monatiger Pause als Abwehrchef einen schweren Stand hatte, analysierte nüchtern, "dass wir phasenweise vorgeführt wurden".

Gründe für die Fortsetzung der Negativserie gegen das Establishment des Fußballs gab es genug. Vorne verwerteten Kevin Kuranyi und Fredi Bobic die wenigen erstklassigen Chancen nicht. Das Mittelfeld mit den biederen Arbeitern Frank Baumann und Jubilar Jens Jeremies (50. Länderspiel) stand klar im Schatten der Fußballkünstler um Zidane und Co. Und die Viererabwehrkette war gegen Henry und Trezeguet überfordert. "Hinten sind wir immer die Dummen. Beim zweiten Tor war im Umkreis von 20 Metern keine Sau", schimpfte Christian Wörns, wohl auch im Wissen, selbst einen "schwarzen Tag" (Völler) erwischt zu haben.

Völler sah "den Unterschied zu den ganz großen Mannschaften wie Frankreich" jedoch vor allem in der Offensive: "Die vier vorne sind mehr als Weltklasse. Da wird der kleinste Fehler brutal bestraft. Und wenn man selbst die Chancen nicht nutzt, hat man ein Problem." Der Unterschied zwischen Vize-Weltmeister und Europameister wurde jedoch auch im vor der Partie hoch stilisierten Duell zwischen Ballack und Zidane deutlich.

Auf der einen Seite der Weltstar von Real Madrid, der zauberte und genial vorbereitete, auf der anderen Seite, ein Michael Ballack, der sich zwar mühte, aber seinem Führungsanspruch nie gerecht wurde. Dennoch wollte Völler die Vorführung nicht auf den Münchner reduzieren, schon gar nicht wollte er ihn mit Zidane vergleichen: "Michael ist ein Vollstrecker, Zidane ein Vorbereiter und Zauberer."

Ohnehin war der Teamchef zwei Wochen vor der Auslosung der EM-Gruppen in Lissabon am 30. November, wo den Deutschen eine Hammergruppe und erneut ein Duell mit Frankreich droht, bemüht, nicht allzu sehr in Depression zu verfallen. Gerade Kuranyi, Arne Friedrich und Andreas Hinkel ("Man fühlt sich schlecht") hätten angedeutet, "dass wir mit jungen Spielern auf einem guten Weg sind. Auf dieser Schiene werden wir weiterarbeiten. Sie werden aus solchen Spielen lernen".

Völler: "Nicht in Panik verfallen"

Zudem dürfe man jetzt nicht den Fehler machen, so Völler weiter, "in Panik zu verfallen. Ich habe der Mannschaft direkt nach dem Spiel gesagt, dass uns das 0:3 in der langen Pause jetzt zwar verfolgen wird, aber dass wir den Kopf nicht in den Sand stecken dürfen. Das wirft uns nicht um." Überzeugend klang Völler, dessen Team am 18. Februar beim nächsten EM-Härtetest auf die Niederlande trifft, dabei nicht. Auch als er sagte, dass er sicher sei, "dass wir bei der Euro eine gute Rolle spielen werden".

Die Erwartungen sind nach einem "schwierigen Jahr" (Ballack) mit 5 Siegen, 3 Unentschieden und 3 Niederlagen auch bei DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder groß. Der hatte zuletzt schon wiederholt das EM-Halbfinale als Minimalziel ausgegeben, und aktuell in der Welt am Sonntag noch einmal unterstrichen, "dass ein Abschneiden wie in Holland und Belgien eine mittlere Katastrophe wäre". Er sei aber überzeugt, dass sich das Vorrunden-Debakel von der Euro 2000 nicht wiederholen werde.

Allzu hoch sollten die Vorgaben für die DFB-Auswahl, deren letzter Sieg gegen ein Topnation schon über drei Jahre zurückliegt (1:0 in England im Oktober 2000), jedoch nicht ausfallen, wenn Mannschaften wie Frankreich als Gegner warten. Zumal Zidane nach der Partie gelassen feststellte, "dass wir nur das Notwendigste getan haben". Zu einer 45-minütigen Lehrstunde hat es allemal gereicht.

Stimmen zum Spiel:

Trainer Rudi Völler (Deutschland): "Diese Packung tut uns weh, die tragen wir jetzt drei Monate auf dem Buckel. Ich hatte eigentlich geglaubt, dass mit dieser Mannschaft was geht. Man muss ehrlich anerkennen, dass Frankreich eine ganz tolle Mannschaft hat. Nach dem 0:2 hatten wir keine Chance mehr, da waren die Franzosen eine Klasse für sich. Man kann gegen einen solchen Gegner nur bestehen, wenn man die eigenen Möglichkeiten nutzt. Das haben wir nicht getan. Wir haben in der ersten Halbzeit aus unseren Chancen kein Tor gemacht. Christian Wörns hatte leider einen schwarzen Tag. Michael Ballack hat heute leider auch nicht so gut gespielt, das weiß er selbst. Wenn man mit Zidane verglichen wird, kann man nur schlecht aussehen. Andreas Hinkel hat gezeigt, dass er ein wichtiger Spieler für uns ist. Wir geben nicht auf, jetzt wollen wir es im nächsten Spiel Mitte Februar in Holland besser machen."

Trainer Jaques Santini (Frankreich): "Wir haben in der ersten Halbzeit ein Spiel von großer Qualität gesehen. Ich gratuliere meiner Mannschaft zu ihrer hervorragenden Leistung. Sie hat sehr ambitioniert und dynamisch gespielt. Wir befinden uns in einer wichtigen Phase der Vorbereitung auf die Europameisterschaft, da tut ein solcher Sieg besonders gut."

Andreas Hinkel: "Es war ein katastrophales Spiel von uns. Mir tun die Zuschauer und die Fans leid, die viel erwartet haben und dann so etwas gesehen haben. Wir wollten Volgas geben, haben es aber nicht auf dem Platz umgesetzt."

Thierry Henry: "Das war schön heute abend."

Zinedine Zidane: "Schön, wenn man in Deutschland gewinnt. Wir sind sehr zufrieden. In der zweiten Halbzeit haben wir nur noch das Notwendige erledigt. Die Deutschen sind ein sehr, sehr starkes Spiel."


Statistik:

Deutschland: Kahn (Bayern München/34 Jahre/65 Länderspiele) - Friedrich (Hertha BSC/24/14), Wörns (Borussia Dortmund/31/52), Nowotny (Bayer Leverkusen/29/38 - 76. Rehmer/Hertha BSC/31/35), Hinkel (VfB Stuttgart/21/5) - Jeremies (Bayern München/29/50), Baumann (Werder Bremen/28/21 - 71. Ernst/Werder Bremen/24/3) - Schneider (Bayer Leverkusen/29/31 - 67. Freier/VfL Bochum/24/13), Ballack (Bayern München/27/37) - Bobic (Hertha BSC/32/30 - 67. Klose/1. FC Kaiserslautern/25/34), Kuranyi (VfB Stuttgart/21/7)

Frankreich: Coupet (Olympique Lyon/30/6) - Sagnol (Bayern München/26/20 - 60. Gallas/FC Chelsea/26/11), Thuram (Juventus Turin/31/94), Silvestre (Manchester United/26/26), Lizarazu (Bayern München/33/90) - Dacourt (AS Rom/29/14), Makelele (FC Chelsea/30/27) - Pires (Arsenal London/30/66 - 73. Wiltord/FC Arsenal/29/59), Zidane (Real Madrid/31/86) - Trezeguet (Juventus Turin/26/48 - 82. Govou/Olympique Lyon/24/9), Henry (FC Arsenal/26/56)

Schiedsrichter: Farina (Italien) - Zuschauer: 53 574 (ausverkauft)

Tore: 0:1 Henry (21.), 0:2 Trezeguet (55.), 0:3 Trezeguet (81.)

Gelbe Karten: Baumann / Sagnol, Dacourt, Pires

Beste Spieler: Hinkel / Zidane, Henry, Trezeguet

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