Nationaltrainer der Philippinen Michael Weiß: "Das Leben muss weitergehen"

Kolkata · Michael Weiß ist seit knapp drei Jahren Fußball-Nationaltrainer der Philippinen. Die schlimme Naturkatastrophe in dem asiatischen Land bewegt den 48-jährigen Pfälzer stark. Ein Sieg im Länderspiel in Indien am Freitag soll ein kleiner Hoffnungsschimmer sein.

 Die Katastrophe auf den Philippinen hat auch Nationaltrainer Michael Weiß stark bewegt.

Die Katastrophe auf den Philippinen hat auch Nationaltrainer Michael Weiß stark bewegt.

Foto: dpa, Dennis M. Sabangan

Michael Weiß sitzt in seinem indischen Hotelzimmer in der Nähe von Kolkata. In Gedanken aber ist der deutsche Fußball-Nationaltrainer der Philippinen in seiner rund 3500 Kilometern entfernten Wahl-Heimat. Neue Hiobsbotschaften aus dem vom verheerenden Taifun "Haiyan" heimgesuchten Land im Pazifischen Ozean erreichten Weiß in den letzten Tagen fast stündlich. Das Handy stand kaum still, besorgte Freunde und Kollegen erkundigten sich immer wieder. Und der 48-Jährige musste erzählen.

"Wollen den Menschen etwas Hoffnung geben"

Doch Weiß ist ein Mensch, der auch in schweren Stunden nach vorne blickt. Deshalb war es für den Pfälzer nie eine ersthafte Alternative, dass das Länderspiel seiner Mannschaft am Freitag gegen Gastgeber Indien wegen der Naturkatastrophe auf den Philippinen abgesagt wird. "Das Leben geht weiter — und es muss auch weitergehen. Wir wollen dieses Spiel machen und gewinnen, um den Menschen zu Hause etwas Hoffnung zu geben", sagte Weiß am Mittwoch im SID-Gespräch und betonte: "Es zählen jetzt die, die überlebt haben."

Als der Taifun zu Hause wütete, befand sich das Team in Abu Dhabi. Die Stimmung in der Mannschaft, der auch Stephan Schröck vom Bundesligisten Eintracht Frankfurt angehört, sei "bedrückt". Direkt sei aber niemand seiner Spieler betroffen, erklärte der in Manila mit seiner japanischen Frau und zwei Kindern lebende Diplom-Sportwissenschaftler.

Anders sieht es bei Dan Palani aus: Der aus dem Katastrophengebiet Tacloban stammende Teammanager hat zwei seiner Hausmädchen verloren. "Er versucht jetzt, seine Familie ausfliegen zu lassen. Aber es ist ja so viel zerstört, der Flughafen ruiniert", berichtete Weiß — und klingt dann doch recht verzweifelt.

Der Fußballlehrer appellierte auch deshalb an die Industrieländer, dass sie die schlimme Lage auf den Philippinen "schnell kapieren und helfen. Die Leute brauchen Essen, und wenn es nur Cracker sind. Aber viele Zufahrtswege sind eingeschränkt, die Lage ist vielerorts chaotisch", sagte Weiß, der sich derzeit zusammen mit seinem Team in Kolkata auf das Länderspiel am Freitag vorbereitet.

Wirklich überraschend kommt das Unglück für den "Weltenbummler" allerdings nicht. "Das ist der Global-Warming-Effekt. Und wir sind alle ein Stück weit schuld." Er selbst und seine Familie haben schon etliche Erdbeben und Stürme in ihrer Wahlheimat in Südostasien miterlebt.

Weiß war bei Fukushima-Katastrophe in Japan

Und nicht nur das. Bei der Atom-Katastrophe von Fukushima am 11. März 2011 — es war ausgerechnet sein 46. Geburtstag — war Weiß in Japan. "Damals hielten wir uns mit der Nationalmannschaft in einem Trainingslager am Mount Fuji auf", berichtete der Pfälzer: "Wir merkten, dass plötzlich die Erde wackelte. Eigentlich sollten wir ausgerechnet in Fukushima auf der Anlage des japanischen Verbandes trainieren. Gott sei Dank hatte das nicht geklappt." Seine Frau sei noch ein halbes Jahr traumatisiert gewesen.

Der ehemalige Torhüter des FK Pirmasens trainiert die Filipinos, Nummer 137 der FIFA-Weltrangliste, seit Januar 2011. Zuvor hatte Weiß in Ruanda als Technischer Direktor des Verbands gearbeitet und unter anderem bei Manchester United und dem FC Arsenal hospitiert. Einst assistierte er in China auch Eckhard Krautzun, ehe er sich erfolgreich auf die Online-Stellenausschreibung des philippinischen Verbandes bewarb.

Weiß hofft, dass die Katastrophe nicht allzu große Auswirkungen auf seinen Job haben wird. "Unser Ziel bleibt der Gewinn des Challenge Cups und die Teilnahme am Asien Cup 2015", meinte der A-Lizenz-Inhaber, dessen Vertrag noch bis Sommer 2014 läuft.

Die Zelte vorzeitig abbrechen, will er nicht: "Ich habe hier eine Verpflichtung." Dann muss er auflegen. Im Hintergrund klingelt das Handy. Die nächsten Fragen warten. Vielleicht wird Michael Weiß dem nächsten Anrufer auch von der philippinischen Seele erzählen, die "stärker als jeder Taifun ist", wie Eintracht-Profi Schröck behauptet.

(sid)
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