Sebastian Deisler will keine "Krücken" mehr sehen Herthas Fußball-Talent trainierte erstmals wieder mit dem Team

Portimao (sid). Die Leiden des Sebastian Deisler haben vorerst ein Ende. Mit fast kindlicher Begeisterung absolvierte das derzeit größte deutsche Fußball-Talent von Champions-League-Teilnehmer Hertha BSC Berlin nach langer Durststrecke am Samstag das erste kleine Training im Kreise seiner Mannschaftskameraden. "Ich kann keine Krücken mehr sehen", flachste der 20 Jahre alte Youngster nach seiner Sonderschicht im Trainingslager der Hertha in Portimao an der portugiesischen Algarve.

Rund sechs Wochen quälende Rehabilitation bei Dr. Klaus Eder in Donaustauf liegen hinter Deisler. Am 10. Dezember des vergangenen Jahres entfernte US-Spezialist Dr. Richard Steadman ein kleines Gelenkkörperchen aus dem Knie des Mittelfeldspielers und glättete dazu eine Narbe. Beides waren Spätfolgen einer Kreuzband-Operation in seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach.

Sebastian Deisler wirkt wie befreit. "Es war schon eine schwere Zeit", sagt er und will deshalb nichts überstürzen, große Ziele hat er schon gar nicht vor Augen: "An die EM denke ich jetzt nicht. Man muss die Reihenfolge einhalten. Erstmal muss ich hundertprozentig fit werden und dann konstante Leistungen bringen." Drei Einladungen von Teamchef Erich Ribbeck hatte Deisler wegen seiner Beschwerden bereits absagen müssen.

Kurzpässe mit Herthas Physiotherapeuten Jörg Drill und leichte Dribblings mit dem Ball ohne Gegenspieler standen am Samstag auf dem Programm. Dazu lockeres Auslaufen im Kreise der Mitspieler, die ihn am Freitag im idyllisch gelegenen Fünf-Sterne-Hotel Penina mit großem Hallo und "Basti-Fantasti"-Rufen begrüßt hatten. Und im Anschluss absolvierte Deisler eine spezielle Kniegymnastik mit Osteopath Thomas Sennewald. Mitte der kommenden Woche sollen die ersten Einheiten mit der Mannschaft folgen.

Nicht zu frühSebastian Deisler will nicht erneut den Fehler machen und zu früh in den Spielbetrieb eingreifen. Teamchef Ribbeck hatte erst jüngst wissen lassen, dass sich das Talent nicht unter Druck setzen müsse. Wenn er bis März wieder voll belastbar am Spielbetrieb teilnehme, so Ribbeck, dann habe er immer noch alle Chancen auf die EM. "Das ehrt mich natürlich. Die EM-Teilnahme wäre ein Traum", erklärt der Youngster.

In den vergangenen 15 Monaten war Sebastian Deisler schon zum Hoffnungsträger des deutschen Fußball hochgejubelt worden. "Der Messias des deutschen Fußballs, mein Tor gegen 1860 oder die Gerüchte über drohende Sportinvalidität: Das ist alles Schwachsinn, das hat mich schon ein bisschen geärgert", sagt Deisler über die Mechanismen der Massenmedien. Doch Verunsicherung hat Deisler dadurch nie richtig verspürt. "Es gab schon Phasen, da habe ich mich gefragt, was die eigentlich von mir erwarten. Ich versuche das zu verdrängen und so gut wie möglich mit dem Druck und den Erwartungen fertig zu werden."

Davon ist Hertha-Trainer Jürgen Röber überzeugt. "Basti hat jetzt schon seine eigene Persönlichkeit. Er war schon immer auf sich allein gestellt", erklärt der Coach und prophezeit Deisler eine große Zukunft: "Wenn er gesund bleibt, gibt es nichts Vergleichbares in Deutschland. Er hat riesige Möglichkeiten. Er ist schnell und hat eine tolle Technik. Der wird noch zig Länderspiele machen."

(RPO Archiv)
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