EM-Kolumne "Die beste deutsche Mannschaft"

Düsseldorf · Für unseren Kolumnisten Kasper Rorsted spielt die Elf von Joachim Löw so gut wie kaum eine andere deutsche zuvor. Die Führungsspieler und das geschlossene Auftreten des Teams sind für ihn die Schlüssel zum Erfolg. Wenn die Nerven mitspielen, sollte der Finaleinzug gelingen.

EM 2012: Unsere Kolumnisten
6 Bilder

EM 2012: Unsere Kolumnisten

6 Bilder

Elfmeterschießen können die Engländer zwar nicht, doch ihr Humor im Umgang mit Niederlagen ist einfach unschlagbar. Nach dem Ausscheiden im EM-Viertelfinale gegen Italien hat mich Englands Stürmerlegende Gary Lineker davon wieder einmal überzeugt. Zur tragischen Niederlage im Elfmeterschießen seiner Mannschaft meinte er knapp: "Der Abend hat einen positiven Aspekt: Wenigstens können wir nicht gegen Deutschland verlieren."

Doch Spaß beiseite: Das Spiel Italien gegen England hat bewiesen, wie wichtig es ist, dass man liefern kann, wenn es gilt. Bei den Engländern war es erst die schwindende Fitness in der zweiten Spielhälfte und dann auch in der Verlängerung. Und schließlich die für die Briten so charakteristische Schwäche beim Elfmeterschießen.

Wenn heute Abend die Italiener gegen die Deutschen spielen, bin ich mir ziemlich sicher, dass es nicht zum Elfmeterschießen kommt, denn beide Teams wollen unbedingt gewinnen und werden das Spiel entsprechend offensiv angehen. Die Erwartungen beider Länder sind hoch und eine Niederlage würde für beide Fußballnationen eine große Enttäuschung bedeuten. Aufgrund der Skandale in der italienischen Serie A und der damit verbundenen schwierigen Vorbereitung für die italienische Mannschaft wäre ein Sieg für sie ein spektakuläres Ereignis. Und für die Fans eine unglaubliche Freude. Aber natürlich bin ich zuversichtlich, dass Joachim Löws Team dieses Mal den Klassiker gegen Italien gewinnt. Auch wenn die Statistiken eindeutig für die Squadra Azzurra sprechen. Die deutsche Nationalmannschaft hat 15 Pflichtspiele hintereinander gewonnen — das ist eine Statistik, die den Italienern vor der Partie bestimmt Kopfzerbrechen bereitet.

Die junge deutsche Mannschaft ist eine ganz andere als die vom WM-Halbfinale 2006. Ich halte unser Team für das beste bei dieser EM. Überhaupt spielt die Mannschaft für mich so gut wie kaum eine andere deutsche zuvor. Sie ist technisch und taktisch sehr stark und hat mittlerweile Persönlichkeiten, die nicht nur führen können, sondern auch bereit sind, sich komplett in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Das ist vorbildhaft.

Natürlich werden heute Abend die Nerven eine Rolle spielen — aber auch das Selbstbewusstsein. Und davon haben die Deutschen reichlich. Vor allem ihr sympathisches, geschlossenes Auftreten überzeugt. Da ist keiner auf der Ersatzbank, Betreuer, Trainer oder Spieler, der nicht aufspringt, wenn ein Tor für die deutsche Elf fällt. Die Ersatzspieler reichen den Feldspielern Wasserflaschen, feuern sie an und gehen emotional bei jeder Szene mit. Auf diesem Top-Niveau können solch kleine Details über den Erfolg entscheiden. Vor den zweifellos sehr gut aufgelegten Italienern brauchen sich die Deutschen also nicht zu fürchten.

Bereits jetzt steht für mich auch fest, dass diese EM als erstes Fußballgroßereignis in Osteuropa ein Erfolg ist. Auch wenn die Gastgeber Polen und Ukraine in der Vorrunde ausscheiden mussten und die Stimmung in den Städten darunter etwas litt, war die Atmosphäre in den Stadien stets ausgelassen und fair. Wir haben gute und teils sehr spannende Spiele erleben können — und fantastische Tore gesehen wie Mario Gomez' Balletteinlage gegen die Niederlande, den Weltklasse-Volley vom Schweden Zlatan Ibrahimovic im Spiel gegen die Franzosen oder den ebenso frech wie genial "gelupften" Elfmeter vom Italiener Andrea Pirlo gegen England.

Es ist eine große Fußballparty im Grunde für ganz Europa. Sie hat für viele Menschen manche Sorgen — zum Beispiel über den Euro — wenigstens kurzfristig ein wenig verdrängt. Mit ihren 16 Teilnehmern hatte diese EM eine kleine, aber feine Besetzung. Das wird ab 2016 in Frankreich anders sein. Dann treten 24 Mannschaften an — darunter auch sicher einige eher schwächere Kandidaten. So hochklassig wie dieses Mal wird das Teilnehmerfeld also vorerst nicht mehr sein. Nur das Verlieren wird immer noch genauso wehtun.

Vielleicht nehmen es die, die heute aus dem Turnier ausscheiden, dann doch mit dem wundervollen britischen Humor à la Gary Lineker.

(RP/seeg)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort