Bundesliga Harte Zeiten für Fair Play

Düsseldorf · Zwei Szenen des vergangenen Bundesliga-Spieltags zeigen, wie schwer sich der Profifußball mit dem Grundgedanken des Sports tut.

Jörg Schmadtke wirft mit Kaugummi auf Bank der TSG Hoffenheim
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Schmadtke wirft mit Kaugummi auf Hoffenheimer Bank

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Foto: Screenshot Sky

"According to the fair play of the world, let me have audience."

Vor mehr als 400 Jahren tauchte der Begriff Fair Play erstmals auf. William Shakespeare verwendete ihn in seinem Historiendrama König Johann. In der Übersetzung heißt es: "Der Höflichkeitsgebühr der Welt gemäß gebt mir Gehör." Mit Höflichkeit hat es tatsächlich etwas zu tun, wenn heute vornehmlich im Sport von Fair Play die Rede ist. So wird es als Akt der Höflichkeit empfunden, wenn die Spieler einer Mannschaft den Ball ins Seitenaus kicken, weil sich ein gegnerischer Akteur vor Schmerzen am Boden wälzt.

Kölns Fußball-Manager Jörg Schmadtke sah den Fair-Play-Gedanken mit Füßen getreten, als die Hoffenheimer das Spiel eben nicht stoppten, als der FC-Profi Lukas Klünter am Boden lag, sondern weiterspielten und den Treffer zum 1:1 erzielten. Am Freitag bereits hatten die Leverkusener das Spiel fortgesetzt, als der Wolfsburger Dante nicht mehr konnte (oder wollte).

"Wir beerdigen in dieser Woche in der Liga den Fair-Play-Gedanken", stellte Schmadtke fest. Ein bisschen übertrieben mag das klingen, doch es liegt auch viel Wahrheit in Schmadtkes Worten. Denn die Zeit, in der die Entscheidungen im Profifußball fallen, ist keine gute Zeit für Höflichkeiten. Lieber ein bisschen unfair sein, als aus der Bundesliga absteigen - wer denkt nicht so? Und wer sagt, dass der Gegner, der sich auf dem Platz wälzt, nicht schauspielert? Fair Play liegt in einer Grauzone des Sports, mittendrin zwischen Edelmut und Zynismus.

Im Fall Köln/Hoffenheim liegt ein weiteres Problem im Verhalten des Absenders der Kritik. Schmadtke hatte - ganz unhöflich - ein Kaugummi in Richtung Hoffenheimer Coaching Zone geworfen, sich freilich später entschuldigt. Der Kontrollausschuss ermittelt. Dem Kölner droht eine Strafe, zumal er schon einmal zahlen musste, als er im Verlauf der Saison das Schiedsrichtergespann als Eierköppe bezeichnet hatte und der DFB in der Formulierung eine Beleidigung erkannt hatte.

Doch zurück zum Fair-Play-Gedanken. Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker formulierte einmal: "Verlangt ist nicht nur die formelle Beachtung von Regeln. Nie werden geschriebene Regeln die menschliche Haltung des Fair Play ersetzen können. Der Sportler, der das Fair Play beachtet, handelt nicht nach dem Buchstaben, er handelt nach dem Geist der Regeln." Nach gängigen Definitionen zählt zum Fair Play auch

  • der partnerschaftliche Umgang mit dem Gegner
  • auf gleiche Chancen und Bedingungen zu achten
  • das Gewinnmotiv zu begrenzen (kein Sieg um jeden Preis)
  • Haltung in Sieg und Niederlage zu bewahren.

Das alles ist viel verlangt im Sportbusiness, in dem es um viele Millionen Euro geht. Und doch sind diese aus der Frühzeit des organisierten Sports in England stammenden Prinzipien grundlegend und die Basis dafür, dass der Sport trotz aller Skandale hohes gesellschaftliches Ansehen genießt. Der Begriff wird gern verwendet. Erstaunlicherweise auch von einer Institution, die nachgewiesenermaßen nicht gerade den geforderten "partnerschaftlichen Umgang mit dem Gegner" gepflegt und nicht "auf gleiche Chancen und Bedingungen" geachtet hat. Die Fifa nämlich trägt den Slogan "My Game is Fair Play" seit 20 Jahren vor sich her.

Wie Fair Play funktioniert, demonstrierte 2012 zum Beispiel der Wuppertaler Tischtennisspieler Jochen Wollmert. Bei den Paralympics in London annullierte er im Halbfinale wie auch im Endspiel Punkte, die ihm das Wettkampfgericht fälschlicherweise zugesprochen hatte, zu Gunsten seiner Gegner. Vielleicht kann er den Kollegen Profifußballern ein bisschen Nachhilfe in Sachen Fair Play und Höflichkeit erteilen.

(RP)
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