Schalke-Legenden und Popstars Kremers-Zwillinge werden 65 ohne großen Bahnhof

Die Kremers-Zwillinge Helmut und Erwin waren in den 70er-Jahren Fußball-Popstars und Schalker Kultfiguren. Ihre Streiche sind legendär, die Fans liebten das Duo. Kurz vor dem 65. Geburtstag der beiden verrät Erwin noch ein lange gehütetes Geheimnis.

Die Zwillinge Erwin und Helmut Kremers werden 65
Foto: dpa, Franz-Peter Tschauner

Schon der erste Satz sagt viel über das enge und launige Verhältnis der Unzertrennlichen. "Was hat der Blödmann über mich erzählt?", frotzelt Erwin Kremers. Ist das überhaupt Erwin am Telefon oder nochmals wie wenige Minuten zuvor der Bruder Helmut? Die Stimmlage, die Betonung, der niederrheinische Dialekt - alles gleich. Und das Aussehen sowieso. Die Zwillinge klingen munter und lebensfroh. Werden sie am kommenden Montag wirklich schon 65 Jahre alt? Doch, allerdings ohne großen Bahnhof.

"Nee", sagt Helmut im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Eine große Party gibt es nicht. Wir setzen uns mit unseren Familien zusammen: ein schönes Essen, ein bisschen was trinken, das war's". Und Erwin, der in Haan (Kreis Mettmann) wohnt, ergänzt: "Ich habe meine Geburtstage nie groß gefeiert. Das wird sich nicht ändern."

Geboren in Mönchengladbach am 24. März 1949 begannen die Kremers ihre Fußball-Laufbahn bei der Borussia. Das erste Fußball-Zwillingspaar der Bundesliga - lange vor den Altintops oder den Benders - gab es nur im Doppelpack. Nach den ersten zwei Profijahren wechselten sie 1969 zu den Kickers nach Offenbach und landeten kurz nach dem Bundesliga-Skandal 1971 auf Schalke. Beim Revierclub erlebten Linksaußen Erwin und Defensivspezialist Helmut gemeinsam bis 1979 (Helmut blieb noch ein Jahr länger) ihre erfolgreichste Zeit als Fußballer. Sie gehörten zur legendären Vizemeister- und Pokalsiegerelf 1972, stiegen zu Nationalspielern auf. Helmut brachte es auf acht Länderspiele, Erwin auf 15. Gemeinsam kickten sie aber nur dreimal in der DFB-Elf.

Die Titel wurden brüderlich geteilt. Erwin gehörte zum EM-Team 1972, Helmut zum WM-Kader 1974. Doch im Trainingslager in Malente war er über Nacht aus dem "Gefängnis" ausgebüxt und wurde, bevor er sich morgens ins Bett zurückschleichen konnte, von Co-Trainer Jupp Derwall erwischt. So spielte Helmut bei der WM keine Sekunde. "Deswegen fühle ich mich auch nicht als Weltmeister", sagt er.

Sein Bruder Erwin vermasselte sich seine WM-Teilnahme schon vorher. Weil er sich am letzten Spieltag der Saison 1973/74 einen Platzverweis einhandelte. Schiedsrichter Max Klauser hatte er als "blöde Sau" tituliert, und als der seinen Ohren nicht traute und nachfragte, schob Erwin nach: "Jetzt nochmal für Doofe: Sie sind eine blöde Sau!" Dann gab's Rot. Was Bundestrainer Helmut Schön dazu veranlasste, dem Flügelflitzer das schon sichere WM-Ticket wieder zu nehmen.

"Die Geschichte stimmt - leider", gibt Erwin zu. Er ärgert sich noch heute: "Ich war damals impulsiv und bösartig. Ich wusste aber nicht, dass die Rote Karte mein Todesurteil beim DFB war. Die WM im eigenen Land hätte ich schon sehr gerne mitgemacht."

Über die vor allem von den weiblichen Fans wie Popstars verehrten Kremers gibt es unzählige Anekdoten. Die Jugendzeitschrift "Bravo" widmete dem Duo viele Storys und Titelseiten. 1974 stürmten "Die Kremers" mit "Das Mädchen meiner Träume" sogar die Musikcharts.

"Das ist irgendwie alles so entstanden, es war eine verrückte Zeit", meint Erwin. Das mit dem Singen hatte sich nach einem Auftritt bei Frank Elstners TV-Sendung "Die Montagsmaler" ergeben. "Er meinte, wir sähen doch gut aus, wenn wir jetzt noch singen könnten...", erzählt Helmut, der eigentlich Rolling-Stones-Fan war und Schnulzen hasste: "Dann hat der Vater von Vicky Leandros das Lied produziert. Wir sind sogar mal mit Julio Iglesias aufgetreten."

Die Unzähmbaren legten sich mit Trainer Max Merkel an, zogen nachts durch Hotelzimmer und traktierten schlafende Gäste und Mitspieler mit einem zuvor entwendeten Schaumstoffhammer. Heute ist Helmut, der sich nach der Karriere dreimal als Schalke-Manager versuchte und als Drei-Monats-Präsident in die Historie einging, beruflich noch "voll aktiv" in seiner Firma. Erwin, früher Textil-Unternehmer, ist Privatier und widmet sich sozialen Projekten.

Eine Geschichte sei "noch nie veröffentlicht worden", sagt Erwin plötzlich geheimnisvoll: "Ich war ja sehr pflichtbewusst. Als wir 18 wurden, habe ich sofort den Führerschein gemacht. Helmut musste zu der Zeit zur Bundeswehr und hatte keine Lust oder Zeit. Also ist er fünf Jahre lang mit meinem Führerschein gefahren. Wir haben uns immer abgewechselt, auch mit dem Auto. Hat ja keiner gemerkt", sagt Erwin und freut sich über die Pointe: "Als wir 23 waren, meinte Helmut zu mir: Du, ich brauch' jetzt meinen eigenen Führerschein. Aber mach' du ihn, du kannst das doch schon. Okay, sagte ich, bin aber dann durch die Theorieprüfung gefallen. Als ich Helmut das gebeichtet habe, hat er mich auf das Übelste beschimpft. Dann ist er noch vier Jahre mit meiner Fleppe gefahren..."

(dpa)
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