Kommentar zur LeBron James Er möchte so gerne der Größte sein

Vier Spiele, vier Niederlagen – sang- und klanglos haben die Cleveland Cavaliers die NBA-Finals gegen die Golden State Warriors verloren. Für LeBron James hätte eine Meisterschaft ein gewaltiger Schritt in Richtung "bester Spieler aller Zeiten" werden können. Doch mal wieder scheiterte er. Ein Kommentar.

 LeBron James kauert am Boden während Steph Curry von den Golden State Warriors im Vordergrund jubelt.

LeBron James kauert am Boden während Steph Curry von den Golden State Warriors im Vordergrund jubelt.

Foto: AFP/GREGORY SHAMUS

Im Alleingang wollte er es wieder mal allen zeigen. Und beinahe, ja beinahe, hätte Lebron James seine Cleveland Caveliers sogar nochmal zur Meisterschaft geführt.

49 Punkte hat James eine Minute vor Schluss von Spiel eins der Finalserie gegen die Golden State Warriors schon erzielt. Die Caveliers führen und haben den Auswärtssieg beim großen Favoriten in der Hand. Der wäre ein echtes Ausrufezeichen. Sportlich und psychologisch wichtig.

Doch Golden State kommt zurück, geht in Führung. Vier Sekunden vor Schluss vergibt James' Teamkollege George Hill einen Freiwurf zum möglichen Sieg. Der Abpraller aber landet nochmal bei JR Smith, auch er trägt das Trikot der Caveliers und könnte jetzt den völlig freistehenden James anspielen. Doch Smith hat einen Blackout, er denkt, Cleveland führe und dribbelt mit dem Ball in der Hand die letzten Sekunden von der Uhr. James steht fassungslos auf dem Feld.

In der folgenden Verlängerung gelingen ihm nur noch magere zwei Zähler, die Warriors gewinnen und holen sich so den ersten von vier benötigten Siegen auf dem Weg zur Meisterschaft.

Drei Spiele später, in der Nacht zum Samstag, geht die Serie dann auch schon zu Ende. Ohne Finalniederlage verteidigen die Kalifornier den Titel in der besten Basketball-Liga der Welt.

Als die Schlusssirene des letzten Spiels ertönt, sackt Lebron James auf dem Feld zusammen. Seine achte Endspiel-Serie in Folge (und die neunte in seiner Karriere) endet zum sechsten Mal damit, dass der dominanteste, kompletteste und schlichtweg beste Spieler auf dem Feld letztlich als Verlierer dasteht. Es ist eine Niederlage, die Cleveland aber mehr noch James weh tut.

Lebrons Mannschaft war nicht gut genug

Da ist das Versagen der Mitspieler in Spiel eins - eigentlich aber in der gesamten Saison. Denn auch wenn Basketball ein Mannschaftssport ist, so wäre dieses Cleveland-Team ohne James in dieser Saison nicht mal in die Nähe des Endspiels gekommen. Es brauchte 34 Punkte, neun Rebounds und neun Vorlagen im Schnitt von James, damit das Team aus dem US-Bundesstaat Ohio überhaupt wieder ins Finale einzog. Außer ihm brachte niemand eine Leistung, die der einer Final-Mannschaft würdig gewesen wäre. Anders die breit aufgestellten Golden State Warriors: Sie konnten die Lasten einer Finalserie auf mehrere Schultern rund um ihre Superstars Kevin Durant und Stephen Curry verteilen und so letztlich ohne größere Probleme ihren dritten Titel in vier Jahren holten.

Clevelands Niederlage war nach den Aussetzern in Spiel eins besiegelt zumal sich James in dieser Partie obendrein die rechte Hand brach. "Meine Emotionen sind mit mir durchgegangen", gibt James als Begründung zu Protokoll, wieso er dennoch weiterspielte.

Doch noch viel mehr dürfte es den selbsternannten "König" angetrieben haben, seine unglaublichen individuellen Leistungen dieser Saison mit einem Teamerfolg und seiner vierten Meisterschaft zu krönen. Ein Titel mit diesem Team, dem wohlmöglich schwächsten in James' 15-jähriger Karriere, hätte die Diskussionen um den "besten Basketballer aller Zeiten" noch einmal mächtig angeheizt. Denn seit der mittlerweile 33 Jahre alte Lebron James die NBA dominiert, spätestens seit er seiner Heimatstadt Cleveland vor zwei Jahren ihren ersten Profisport-Titel seit knapp 40 Jahren bescherte, wird unter Spielern, Fans und Experten diskutiert: Ist dieser James am Ende tatsächlich der König dieses Spiels? Besser als Michael Jordan?

Michael Jordan bleibt der wahre "Größte aller Zeiten"

Jordan prägte den Sport mit dem orangefarbigen Leder in den 90ern wie niemand je zuvor. Er stellte individuelle Rekorde auf. Er sorgte für spektakuläre Aktionen auf dem Feld. Vor allem aber gewann er in sechs Endspielen mit den Chicago Bulls sechs Mal die Meisterschaft. Er gewann, als er 1997 mit einer Grippe ins Endspiel ging. Und er gewann, weil in seinen insgesamt 35 Finalspielen durchschnittlich 34 Punkte erzielte. Der 1,98 Meter große Jordan gilt bis heute als "der Größte aller Zeiten", als GOAT, wie die Amerikaner sagen.

Niemand kam diesem Status je so nahe, wie der körperlich fünf Zentimeter größere Lebron James. Doch nicht nur wegen der nun erneut erlittenen Niederlage wird James den wahren König nie wirklich enttrohen. Jordan gewann seine Titel mit den Bulls und schuf dadurch gleich zwei Vermächtnisse: Sein eigenes, aber eben auch das seines Vereins. Die Bulls zehren noch heute von Michael Jordan.

James unterdessen verließ Cleveland erstmals 2010, weil er in Miami größere Meisterschaftschancen sah. In seiner ersten Finalserie verlor er, dort trotz weiterer Superstars um sich herum, gegen Dirk Nowitzkis Dallas Mavericks. In den folgenden beiden Jahren klappte es dann mit dem Titel, doch als es im Jahr 2014 die nächste Endspiel-Pleite setzte, verließ James Miami. Es ging zurück nach Cleveland, die ihm nun mit Kyrie Irving und Kevin Love ebenfalls zwei Superstars an die Seite stellen konnten. Nun, nach der einem Titel und der dritten Niederlage gegen Golden State im vierten Versuch, lässt James seine Zukunft in Ohio erneut offen und dürfte nächste Saison ein anderes Trikot tragen.

Begehrt ist James bei nahezu jedem Team. Der "König" ist der herausragende Basketballer seiner Generation. Er spielt die beste Basketball-Liga der Welt auch mit 33 noch in Grund in Boden. Doch letztlich schafft er es im Mannschaftssport Basketball eben nicht, eine Mannschaft um sich zu halten und so an Jordans Bulls vorbei zu ziehen. James jagt persönlichen Auszeichnungen hinterher. Das reicht, um eine Basketball-Legende zu werden. Nicht aber für den Titel des "Größten aller Zeiten".

(cbo)
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