Grosny: Über 500 russische Soldaten gefallen Schwere Kämpfe dauern an

Moskau (dpa). Bei Kämpfen in Tschetschenien sind allein in den vergangenen vier Wochen mit Beginn der russischen Großoffensive gegen die Hauptstadt Grosny 529 Soldaten getötet worden.Mehr als 1 500 Soldaten der verschiedener Truppen-Gattungen seien verletzt worden, meldete die Nachrichtenagentur Interfax am Montag unter Berufung auf inoffizielle Informationen aus dem Militär. Trotzdem gelang es in der Zeit nicht, den Widerstand der tschetschenischen Rebellen in Grosny zu brechen, die den Russen auch am Montag harte Kämpfe lieferten.

Insgesamt seien seit dem Einmarsch russischer Truppen in Tschetschenien vor vier Monaten 926 Soldaten gefallen und mehr als 2 400 verletzt worden. Die Verluste seien demzufolge seit Beginn des Sturms auf Grosny rapide angestiegen, verlautete aus Militärkreisen. Russische Medien hatten in den vergangenen Tagen immer stärkere Zweifel an der Glaubwürdigkeit der offiziellen russischen Verlustmeldungen geäußert.

Der russischen Streitmacht von etwa 140 000 Soldaten in Tschetschenien stehen nach Interfax-Informationen etwa 2 500 Rebellen in Grosny und weitere 5 000 in den Bergen der abtrünnigen Republik gegenüber. Seit dem Sommer seien bei den Kämpfen zwischen 4 000 und 7 000 Rebellen getötet worden, hieß es weiter.

Nach Angaben von Interfax tobten am Montag weiter schwere Kämpfe um den Minutka-Platz im Zentrum der in Trümmern liegenden Stadt. In Brüssel berieten die Außenminister der Europäischen Union über das durch den Tschetschenien-Krieg belastete Verhältnis der EU zu Russland zu beraten. Bundesaußenminister Joschka Fischer und der EU- Sicherheitsbeauftragte Javier Solana, erklärten, die EU plane vorerst keine weiteren Sanktionen. Alle Möglichkeiten des Gespräcsh müssten offen gehalten werden.

In Straßburg forderten die Christdemokraten in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einen Ausschluss der russischen Abgeordneten wegen des Krieges. Über den Antrag soll bei der Tschetschenien-Debatte am kommenden Donnerstag abgestimmt werden, ihm werden jedoch kaum Chancen eingeräumt, weil auch der Europarat seinen Einfluss auf Russland nicht verlieren will. Der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung, Lord David Russell-Johnston, sprach am Montag telefonisch mit dem Tschetschenen-Präsidenten Aslan Maschadow über Entführungsfälle.

Zu dem Verwirrspiel um die Opferzahlen sagte der frühere russische Innenminister Anatoli Kulikow am Montag der Zeitung „Sewodnja“: „Ich habe die ernsthafte Befürchtung, dass die Verlustzahlen bewusst nach unten gedrückt werden.“ Er hatte 1995 nach dem ersten Einmarsch russischer Truppen in Tschetschenien das Oberkommando über die Truppen. Nach Schätzungen der unabhängigen Militärnachrichtenagentur AVN werden in Grosny täglich bis zu zehn Soldaten getötet.

Die russischen Truppen hatten nach wochenlangen, verlustreichen Kämpfen am Wochenende nach eigenen Angaben den nordwestlichen Stadtteil Staropromyslowski in Grosny eingenommen und dort die russische Flagge gehisst. Das Gebiet werde intensiv nach versteckten Rebellen abgesucht, hieß es. Nach Angaben des Rebellenstabs in Grosny hat sich die „Attacke der Armee festgefahren“. Die Russen seien von Staropromyslowski bislang nicht weiter Richtung Zentrum vorgestoßen.

Der Ende September begonnene Tschetschenien-Krieg kommt Russland teurer zu stehen als geplant. Der Krieg habe bislang fünf Milliarden Rubel (357 Millionen Mark) gekostet, sagte der erste stellvertretende Ministerpräsident und Finanzminister Michail Kasjanow. Das seien 1,5 Milliarden Rubel mehr als im Budget veranschlagt.

(RPO Archiv)
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