London Premier Cameron unter Druck

London · Die Umfrageergebnisse sind miserabel, der Aufschwung lässt auf sich warten, der Schuldenabbau stagniert – bei den britischen Konservativen greift die Panik vor der drohenden Abwahl 2015 um sich. Die demoralisierten Tories machen dafür vor allem ihren Chef David Cameron verantwortlich. Am Wochenende nahmen die innenparteilichen Gegner des Premiers ein PR-Desaster im Kabinett zum Anlass, um Cameron öffentlich für inkompetent zu erklären.

Der Anlass: Am Freitag hatte Cameron einen wichtigen Verbündeten im Parlament verloren, den er erst Anfang September zum "Einpeitscher" der Tories gemacht hatte. Der Multimillionär Andrew Mitchell verlor jedoch an Ansehen, als er kurz nach seiner Ernennung einen Polizisten in der Downing Street wüst beschimpfte. Mitchell war gebeten worden, von seinem Fahrrad abzusteigen und statt des für Autos reservierten Haupttors zur Regierungsstraße einen Seiteneingang zu benutzen. Daraufhin soll das scharfzüngige Kabinettsmitglied explodiert und die Wachen vor den verblüfften Touristen am Tor "Proleten" und "Schwachköpfe" tituliert haben.

Mitchell verschlimmerte dadurch ein altes Imageproblem der Tories, die bei einem Großteil der Briten als ein privilegierter, arroganter Haufen gelten. Er bestritt später seine Beleidigungen, doch die Polizei und die Medien hielten dagegen. Als der "Einpeitscher" endlich zurücktrat, war der politische Schaden irreparabel.

Am Wochenende warfen Camerons Kritiker dem Premier vor, zu lange an seinem diskreditierten Regierungsmitglied festgehalten zu haben. Der "weltfremde" Parteichef müsse für diese "selbst zugefügte Wunde" der Konservativen die Verantwortung übernehmen und seinen Apparat dringend "neu justieren", forderten in der "Sunday Times" gleich mehrere hochrangige Vertreter des Regierungslagers. Die heftigste Attacke kam gestern vom Lord Norman Tebbit, der als Ex-Arbeitsminister unter Margaret Thatcher hohes Ansehen in seiner Partei genießt. "Um das schlechte Ansehen der Regierung zu verbessern, muss Cameron nicht seine Minister disziplinieren, sondern vor allem sich selbst", giftete der 81-Jährige in der Zeitung "Observer".

(RP)
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