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Analyse Macrons Frankreich wird deutscher

Das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentenwahl in Frankreich, in der sich der Linksliberale Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen für die Stichwahl qualifiziert haben, macht Mut. Nicht nur, weil der erklärte Pro-Europäer Macron als Erster ins Ziel gegangen ist und jetzt auch beste Aussichten hat, das entscheidende Duell am 7. Mai für sich zu entscheiden. Sondern auch, weil sich in Frankreich gezeigt hat, dass die Demokratie eben doch funktioniert. Mit Macron hat sie praktisch über Nacht ein politisches Angebot für jene Franzosen hervorgezaubert, die zwar von den etablierten Parteien enttäuscht sind, den einfachen Parolen der rechten wie linken Extremisten aber misstrauen und stattdessen auf die Vernunft der Mitte setzen. Macrons Motto "weder rechts noch links" ist für Frankreich, in dessen Zweiparteiensystem die Macht stets entweder Konservativen oder Sozialisten zufiel, neu. Wenn man so will, ist Frankreich damit Deutschland ähnlicher geworden, wo die Wahlen ja immer schon in der Mitte gewonnen wurden, im Bauch der Gesellschaft.

In Deutschland wird gerne gefordert, Frankreich müsse endlich Reformen durchführen, wobei meist an eine "Agenda 2010" à la française gedacht wird. Das ist nicht falsch, aber Frankreichs Stagnation ist in Wahrheit mehr politisch als wirtschaftlich. Auch hier könnte eine Wahl Macrons zum Präsidenten verkrustete Strukturen aufbrechen, und sei es aus der Not heraus: Macron, der zu den Parlamentswahlen im Juni ohne echte Partei antreten muss, dürfte gezwungen sein, Koalitionen zu schmieden - auch dies erinnert eher an den Bundestag als an die bisherige Pariser Nationalversammlung. Macron hat zudem angekündigt, dass er das harte Mehrheitswahlrecht aufweichen will. Das würde unter anderem dazu führen, dass Le Pens Front National, der bis zu einem Drittel der französischen Wähler repräsentiert, nicht wie bisher nur zwei von 577 Abgeordneten stellt, sondern eine große Fraktion. Dann hätten die Frontisten endlich Gelegenheit, sich auf großer Bühne selbst zu entzaubern.

Emmanuel Macrons politischer Aufstieg macht Hoffnung auf eine Gesundung Frankreichs. Aber er braucht Hilfe, auch von uns. Vor allem, indem sich deutsche Politiker und Manager den gönnerhaften Ton verkneifen, der sich zuletzt gerne in ihre Bemerkungen über Frankreich geschlichen hat. Den ramponierten Stolz der Franzosen auf ihr Land zu heilen, fällt vielleicht schwerer als alle Reformen. Aber das ist am wichtigsten.

(RP)
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