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Paris Machos in Frankreichs Parlament

Paris · Nach einem Zwischenfall im Parlament, bei dem Abgeordnete anzüglich auf die Kleidung der Wohnungsbau-Ministerin reagierten, diskutiert Frankreich über Sexismus in der Öffentlichkeit. Die Betroffene selbst empörte sich: Ähnliche Zustände habe sie nicht einmal auf einer Baustelle erlebt.

Es ist mitten in der parlamentarischen Fragestunde, als Frankreichs neue Wohnungsbau-Ministerin ans Mikrofon tritt. Die 37-Jährige will eigentlich nur eine Anfrage zu Bauprojekten im Großraum Paris beantworten. Doch sie ist eine Frau, jung und adrett noch dazu. Und sie trägt ein Kleid. Ein braves, wenngleich auf Taille geschnittenes blau-weißes Sommerkleid mit Blumenmuster. Zu viel für die männlichen Abgeordneten aus der konservativen Opposition. Ein regelrechtes Tohuwabohu bricht aus, Pfiffe, "Ahs" und "Oh la la"-Rufe ertönen im Saal.

"Meine Damen und Herren", beginnt Cécile Duflot ihre Rede und korrigiert sich nach kurzer Pause selbst: "Wie es scheint, vor allem Herren", merkt sie spitz an, bevor sie abermals von johlenden Zwischenrufen unterbrochen wird. Die Szene, die sich vor wenigen Tagen in der Nationalversammlung zugetragen hat, ist in kürzester Zeit der Renner im Internet geworden und hat in Frankreich eine heftige Debatte über sexistisches Verhalten und Macho-Gehabe ausgelöst.

Nicht nur Feministinnen, auch die Medien wundern sich über den "Duflot-Zwischenfall". Die Zeitung "Le Parisien" widmete dem Thema gleich eine ganze Doppelseite unter der Überschrift: "Der Machismus hält sich wacker." Das urgallische Paradox sei offenbar noch immer weit verbreitet, stellte das Blatt fest und zog Psychologen und Wissenschaftler zurate. "Es bleibt noch viel zu tun", befand die Politik-Professorin Frédérique Matonti.

Mit Macho-Gehabe habe das nichts zu tun, wehren sich die Zwischenrufer: "Wir haben Cécile Duflot nicht ausgebuht, sondern nur bewundert", versuchte sich der rechtsbürgerliche Abgeordnete Patrick Balkany an einer naiv-tölpelhaften Entschuldigung, goss damit aber nur mehr Öl ins Feuer. "Wahrscheinlich hat sie dieses Kleid nur angezogen, damit wir nicht auf ihre Worte achten." Will heißen: In Frankreich sind männliche Politiker leicht abzulenken. Oder möglicherweise einfach nur brünstig.

Die Begebenheit ist kein Einzelfall in der Nationalversammlung. Dies zeigte sich, als die Affäre um Dominique Strauss-Kahn im vergangenen Jahr hochkochte. Zogen es die weiblichen Abgeordneten bis dahin vor, die Ausfälle ihrer männlichen Kollegen mit Stillschweigen zu quittieren, brach es plötzlich aus ihnen heraus. Immer mehr Parlamentarierinnen offenbarten, was sie sich Tag für Tag so anhören müssen: von schlüpfrigen Witzen über Fragen nach der Farbe der Unterwäsche bis hin zur Bemerkung an die Adresse einer Abgeordneten, der der BH-Träger runterrutscht. "Die muss sich nicht wundern, wenn sie vergewaltigt wird."

"Ich bin bestürzt. Bestürzt über dieses Niveau", sagte Cécile Duflot nach dem Zwischenfall im Radio. "Ich habe zuvor im Baubereich gearbeitet, so etwas aber noch nie erlebt. Das spricht Bände über manche Abgeordnete." Und ihre Minister-Kollegin Najat Vallaud-Belkacem fügte hinzu: "Ich merke, dass sexistisches Verhalten keine Grenzen kennt. Doch Politiker sollten ein Vorbild sein." Frankreichs neuer sozialistischer Präsident François Hollande war mit dem Bekenntnis zu mehr Parität zwischen Frauen und Männern angetreten. Im Kabinett ist diese bereits Realität, mit 17 Ministern und genauso vielen weiblichen Kollegen. Doch hinter vorgehaltener Hand und in manchen Magazinen werden Letztere bereits als "Hollandes Schätzchen" und "Hollandettes" verspottet. Und in der Nationalversammlung sind noch immer nur 27 Prozent der Abgeordneten-Posten von Frauen besetzt, dort herrsche nach wie vor "eine Art Paternalismus, der Frauen infantilisiere", seufzt die Abgeordnete Sandrine Mazetier.

Hoffnung richtet sich nun auf das soeben verabschiedete neue Gesetz gegen sexuelle Belästigung. Es sieht für Handlungen, die eine Frau sexuell bedrängen oder aufgrund ihres "erniedrigenden oder demütigenden Charakters die Würde der betroffenen Person angreifen", gestaffelte Strafen von bis zu 45 000 Euro und drei Jahren Gefängnis vor. Für Frauenrechtlerinnen ein längst überfälliges Zeichen. Doch möglicherweise bleibt es auch nur ein Symbol in einer Gesellschaft, in der Anmache auf offener Straße und ausgefeilte Komplimente am Arbeitsplatz zum Volkssport gehören und der gallische "séducteur" (Verführer) eine Lizenz zum Flirten zu haben scheint.

(RP)
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