kolumne Gott und die Welt Was auch in einem Satz alles zu sagen ist

Reden wir zu viel? Oder zu lange? Und ist Kommunikation noch gemeinschaftsstiftend? Vielleicht lässt sich ja vieles auch nur in einem Satz sagen. Ein Selbstversuch am Frühstückstisch.

Die verwegene Frage am Frühstückstisch war nun diese, ob man nicht alles oder doch das allermeiste, was man den lieben langen Tag und so auch am Frühstückstisch von sich gibt, nicht einfach in einem einzigen, klar strukturierten und für alle höchst verständlichen Satz unterbringen könnte, zumal dadurch viel Lebenszeit gewonnen werden könnte, obgleich natürlich die Gespräche an sich – und mitunter auch ausschweifende – fruchtbringend und gemeinschaftsbildend sein können (was freilich am Frühstückstisch mit der überschaubaren Zahl seiner Teilnehmer nicht so sehr vonnöten ist), schließlich stammt das Modewort unseres 21. Jahrhunderts – die Kommunikation – vom lateinischen Wort "communio" ab, was nichts anderes als Gemeinschaft heißt und in diesem Sinne sich auch in der Kommunion wiederfindet, die in der römisch-katholischen Kirche die größte Nähe zu Jesus symbolisiert und ins Zentrum jeder Messfeier und der dabei Versammelten rückt, wobei aber auch andere schriftliche Quellen zu berücksichtigen wären, die zwar säkularen Charakters sind, doch von den Menschen hier auf Erden inniglich gelesen und bedacht werden, wie die amüsanten Schriften des Jonathan Swift, eines irischen Autors und Satirikers, der 1667 das Licht der grünen Inselwelt erblickte und dem das Augenlicht erst 87 Jahre später brach, und der so viel zu Papier brachte, dass darauf auch "Gullivers Reisen" Platz fanden, ein Werk, das jeder zu kennen glaubt, obgleich es nicht jeder gelesen hat, denn wie sonst hätte unser Redefluss diese Ausmaße annehmen können, ist in der besagten Schrift von 1726 doch ausdrücklich von den Erkenntnissen der berühmten, weil erfundenen Akademie von Lagado die Rede, deren Mitglieder nicht nur Bücher für überflüssig halten, sondern auch die Sprache selbst, da nämlich nach ihrer Ansicht mit jedem gesprochenen Wort sich unsere Lungen durch Reibung abnutzen und dadurch unsere Lebensdauer verkürzt wird, weshalb die originellen Forscher anregen, lieber nicht mehr zu sprechen und stattdessen all die Dinge, die man auf lebensverkürzende Weise zur Sprache bringen wollte, mit sich herumzutragen und bei Bedarf einfach vorzuzeigen, was zumindest am Frühstückstisch bei der Verständigung zwischen Sesambrötchen und Schmierkäse noch machbar zu sein scheint, bei komplexeren Themen allerdings eine gewisse Akrobatik verlangt, die am Frühstückstisch doch ungemütlich werden kann.

Also, kann man jetzt alles in einem Satz sagen, oder nicht?

Wir sollten mal darüber reden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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