Griechenland-Premier am Pranger "Wenn die Griechen raus wollen, respektieren wir das"

Cannes (RPO). Seit Monaten reiht sich in Europa Krisengipfel an Krisengipfel. Von Schicksalsstunden war die Rede, vom großen Würfen und letzten Chancen. Das Treffen in Cannes am vergangenen Abend symbolisiert dabei tatsächlich eine Zeitenwende. Denn zum ersten Mal verzichteten die Teilnehmer auf diplomatische Glaceehandschuhe. Und zum ersten Mal wurde der Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone als realistische Möglichkeit präsentiert.

 Angespannte Stimmung in Cannes: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy machten ihrem Ärger Luft.

Angespannte Stimmung in Cannes: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy machten ihrem Ärger Luft.

Foto: EPA, dpa

Es war die Szene des Abends. Während Angela Merkel und Nicolas Sarkozy kurz vor Mitternacht eine Pressekonferenz im großen Saal vor den Flaggen der G-20-Staaten abhielten, gab Griechenlands umstrittener Premierminister Giorgos Papandreou letzte Erklärungen auf dem Parkplatz ab. Zwischen den Staatskarossen seiner Amtskollegen versuchte der Grieche seinen Standpunkt zu verdeutlichen, während die Euro-Retter Merkel und Sarkozy im Saal ihrem Ärger Luft machten.

Sarkozy spricht Klartext

Es war ein ungewöhnlicher Auftritt des Franzosen. Dass Sarkozy hinter den Kulissen schon mal lospoltert, ist hinlänglich bekannt. An diesem Abend schaltete Sarkozy auch vor den versammelten Journalisten einen Gang hoch und sprach Klartext.

"Glauben Sie wirklich, dass Frau Merkel und ich ... dass wir das aus Spaß an der Freude machen, das was wir tun?", polterte Sarkozy. "Wenn wir hier an vorderster Front kämpfen, dann tun wir das, weil das notwendig ist", redete sich ein ungewöhnlich müde und fahl aussehender Sarkozy immer wieder in Rage.

Merkel, die sich sonst als geduldige und fleißige "Euro-Mutti" inszeniert, stand mit schmalen Lippen daneben. "Das war hart", kommentierte die Kanzlerin, den riskanten Alleingang des griechischen Premierministers sparsam. Und fügt nur äußerlich ruhig an: "Das war nicht abgestimmt."

"Dann werden wir das respektieren"

Beide stellten (in dieser Form zum ersten Mal) klar, dass Griechenlands Austritt aus dem Euro eine realistische Option ist, der sich die Eurozone im Notfall auch stellen wird. "Wir wünschen uns, dass Griechenland im Euro-Raum bleibt", sagt Merkel. Aber wenn Griechenland sage, "das möchten wir nicht, dann werden wir das respektieren". Sarkozy springt seiner politischen Freundin zur Seite: "Wenn irgendein Land diese Regeln nicht achten will, dann ist das sein Recht, dann kann es das tun." Dann müsse es aber auch die Folgen tragen, sagt der Franzose.

"Keinen Cent mehr"

Die Nachricht an Athen: Wenn ihr im Euro bleiben wollt, reißt euch zusammen. Wenn ihr raus wollt, kommen wir schon klar. Und mit den Geldpaketen Richtung Hellas ist vorerst auch Schluss. "Wir können das Geld des europäischen Steuerzahlers nur einsetzen, wenn gewisse Regeln, auf die man sich einstimmig geeinigt hat beim Brüsseler Euro-Gipfel am 27. Oktober, auch eingehalten werden", schreibt Sarkozy den Griechen ins Stammbuch. "Werden sie nicht eingehalten, dann kann weder Europa noch der IWF auch nur einen Cent auszahlen." Punkt.

Draußen auf dem Parkplatz verteigt sich der Grieche standhaft. Auch der Grieche sieht müde aus, bleibt aber bei seinem Mantra. "Ich hielt es für wichtig, dass das griechische Volk eine Entscheidung über diese wichtigen Entwicklungen trifft", erklärt er. "Es ist sein demokratisches Recht und das griechische Volk, denke ich, ist reif und weise genug, um eine Entscheidung zu treffen, von dem das griechische Volk und das Land profitiert." Die Griechen, da ist er sicher, werden die Frage nach einem Verbleib im Euro deutlich mit "Ja" beantworten. Dass Umfragen bisher das Gegenteil andeuten, will er nicht gelten lassen.

Griechischer Finanzminister will nicht

Vom neuen Chaos in seiner Heimat weiß er zu diesem Zeitpunkt wohl schon. Denn sein eigener Finanzminister stellt das Referendum in Interviews in Frage. Evangelos Venizelos hält den Zeitpunkt der Vollsbefragung, wie der Rest der Euro-Zone, für grundfalsch. Dieses Referendum sei genau das, was das Land nicht benötige, sagte eine mit der Einstellung des Ressortchefs vertraute Person am Donnerstag.

Dass es Papandreou überhaupt bis zum Referendum schafft, ist indes umstritten. Wie der griechische TV-Sender Net meldet, kündigten zwei Abgeordnete der Sozialisten an, den Regierungschef am Freitag nicht das Vertrauen aussprechen zu wollen. Papandreou verfügt im Parlament derzeit nur noch über eine hauchdünne Mehrheit von 152 der 300 Abgeordneten, ohne die Parlamentarierinnen wären es 150.

(apd/afp/rtr/rpo/csi/rm)
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