Zukunft der Währungsunion EZB-Chef Draghi beklagt "perverse Angst" der Deutschen

Berlin · Für EZB-Präsident Mario Draghi ist die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Währungsunion weitgehend gebannt. Für Deutschland findet der Italiener kritische Worte.

Das ist Mario Draghi
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Foto: dpa, bjw

Die Spitzen von Bundesbank und Europäischer Zentralbank (EZB) haben kurz vor dem Jahreswechsel ihre jeweiligen Haltungen im Kampf gegen die Eurokrise betont.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnte am Samstag in der "Bild"-Zeitung vor einem Wiederaufflammen der Brandherde, sollten die Euroländer den Sparkurs verlassen. EZB-Chef Mario Draghi hielt deutschen Ökonomen und Notenbankern im "Spiegel" eine "perverse Angst" vor, "dass sich die Dinge zum Schlechten entwickeln".

Draghi sieht viele positive Zeichen

Im Gegensatz zu Weidmann hob Draghi "viele ermutigende Zeichen" dafür hervor, dass die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Währungsunion weitgehend gebannt sei. Die Wirtschaft erhole sich in vielen Ländern, die Ungleichgewichte im europäischen Handel nähmen ab, die Haushaltsdefizite würden sinken, sagte er dem Hamburger Nachrichtenmagazin. "Das ist mehr, als vor einem Jahr zu erwarten war."

Er wandte sich direkt gegen die anhaltende Kritik aus Deutschland an den EZB-Entscheidungen. "Jedes Mal hieß es, um Gottes willen, dieser Italiener zerstört Deutschland", sagte Draghi dem Nachrichtenmagazin. Aber das Gegenteil sei passiert. "Die Inflation ist niedrig, und die Unsicherheit hat sich verringert."

Draghi wies auch den Vorwurf zurück, die EZB-Politik niedriger Leitzinsen gehe zu Lasten der Sparer. Dass die Rendite entsprechender Anlagen teilweise nicht einmal die Inflation ausgleiche, sei "nicht die Schuld der EZB". Wegen der hochgradigen Verunsicherung der Investoren habe die EZB die langfristigen Zinsen in den vergangenen Jahren nicht kontrollieren können. Diese würden auf den globalen Finanzmärkten bestimmt.

"Keinen Handlungsbedarf"

Für eine weitere Senkung der Leitzinsen sieht Draghi momentan "keinen unmittelbaren Handlungsbedarf". Derzeit könne von einer Deflation, also von auf breiter Front sinkenden Preisen, keine Rede sein. "Wir haben keine japanischen Verhältnisse", sagte er.

Bundesbankpräsident Weidmann schlug in der "Bild" mahnende Töne an. Der Euro sei in der "Reha". Dort brauche es Ausdauer und einen starken Willen, andernfalls bestehe Rückfallgefahr. Momentan hätten sich die Finanzmärkte zwar beruhigt. Das könne aber eine "trügerische Sicherheit sein".

Der oberste deutsche Notenbanker wandte sich auch strikt gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland. Dies wäre "keine Lösung für die grundlegenden Probleme des Landes", sagte Weidmann der Zeitung. "Das Land muss die hausgemachten Wettbewerbsprobleme korrigieren, produktiver werden und den Staatshaushalt weiter konsolidieren." Hilfe von außen könne "nur Zeit kaufen, aber die unerlässlichen Reformen im Land selbst nicht ersetzen", fügte er hinzu.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der "Bild"-Zeitung lehnen 70 Prozent der Deutschen weitere Milliardenkredite für Athen ab. Nur 16 Prozent waren dafür, das Land mit zusätzlichen Darlehen in der Euro-Zone zu halten, 14 Prozent zeigten sich unentschlossen. Für die repräsentative Umfrage wurden zwischen dem 20. und 23. Dezember 1105 Bürger befragt.

(AFP)
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