Zentralbank Die EZB arbeitet seit 2008 im Krisenmodus

Frankfurt · Die Europäische Zentralbank hat sich in den ersten Jahren das Vertrauen der Finanzmärkte und der Bürger erarbeitet. Seit 2008, seit dem Ausbruch der Finanzkrise, arbeitet sie aber im Krisenmodus. Das Image hat gelitten.

Mächtige Zentralbank in unruhigen Zeiten: die EZB-Zentrale in Frankfurt.	Foto: dpa

Mächtige Zentralbank in unruhigen Zeiten: die EZB-Zentrale in Frankfurt. Foto: dpa

Foto: dpa/Boris Roessler

Dass die Europäische Zentralbank einmal so groß und mächtig werden würde, das hätten ihre Gründer vor 20 Jahren wohl nicht erwartet. Sie ist umso mächtiger geworden, je mehr die Währungsunion von außen und innen bedroht wurde. Das deutlichste Zeichen für ihre Macht setzte der amtierende EZB-Präsident Mario Draghi im Sommer 2012, als er mit einem einzigen Satz das Auseinanderbrechen des Währungsraums verhindern konnte: „Wir werden tun, was immer nötig ist, um den Euro zu retten. Und glauben Sie mir: Es wird genug sein.“ Damals sagte Draghi Spekulanten den Kampf an, die wegen der Staatsschuldenkrise begonnen hatten, auf das Auseinanderbrechen des Euroraums zu wetten.

Gestartet war der Euro mit großen Hoffnungen auf die Einigung Europas mit damals elf Mitgliedsländern, für die die EZB am 1. Juni 1998 die gemeinsame geldpolitische Verantwortung übernahm. Inzwischen haben 19 Mitgliedsländer die Gemeinschaftswährung übernommen. 1999 wurde der Euro als Buchwährung, drei Jahre später auch als Bargeld eingeführt. Der Niederländer Wim Duisenberg, der erste Präsident der EZB, musste zunächst Aufbauarbeit leisten – nicht nur im Hinblick auf das Bargeld. Die EZB musste sich auch das Vertrauen der Finanzmärkte und der Bürger erarbeiten, den Euro als stabile Währung etablieren. Das ist weitgehend gelungen. Denn die Inflationsrate als Messlatte für Stabilität liegt seit Anfang 1999 bei durchschnittlich 1,7 Prozent. Das ist niedriger als das, was die Bundesbank in ihrer 50-jährigen Geschichte geschafft hat. Nach dem Vorbild der Bundesbank war die Notenbank aufgebaut worden mit der Ausrichtung auf stabile Preise, die die EZB frühzeitig als unter, aber nahe zwei Prozent definierte. Daran hält sie bis heute fest.

Seit 2008 im Krisenmodus

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 aber befindet sich die EZB im Krisenmodus. Dass sie die Finanzmärkte nach der Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers mit starker Liquiditätszufuhr beruhigte, kritisierte noch niemand. Doch als im Frühjahr 2010 die Staatsschuldenkrise begann, als Griechenland drohte, in die Insolvenz zu rutschen, da veränderte sich die Politik der Notenbank unter Duisenbergs Nachfolger, dem Franzosen Jean-Claude Trichet. Der EZB-Rat entschied, Anleihen einzelner Staaten zu kaufen – ein Schritt, der ihr heftige Kritik einbrachte. Die Notenbank verstoße damit gegen das Verbot monetärer Staatsfinanzierung, hieß es vor allem in Deutschland. Trichets Nachfolger, der Italiener Mario Draghi, weitete die Staatsanleihen-Käufe sogar aus: Seit Frühjahr 2015 kauft die EZB Staatsanleihen und andere Wertpapiere am Markt, flutet diesen also mit Geld, damit die Zinsen sinken. Damit sinkt auch die Zinslast der Staaten.

Staaten verlassen sich auf niedrige Zinsen

Doch die verlassen sich inzwischen auf die Notenbank – ein Verhalten, das auch  Draghi in jeder Pressekonferenz nach den geldpolitischen Sitzungen kritisiert, indem er an die Verantwortung der Staaten appelliert, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Doch die Regierungen reagieren kaum. Im Gegenteil, sie betrieben eine „Sündenbock-Politik“, beobachtet Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): „Wenn es gut läuft, dann ist es die nationale Verantwortung; wenn etwas schief läuft, dann ist Europa oder der Euro oder die EZB daran schuld.“ Doch es sei nicht Aufgabe der EZB, den Regierungen vorzuschreiben, was sie zu tun hätten, meint Fratzscher, das wäre eine Überschreitung von deren Mandat. Ihr Mandat sei allein die Preisstabilität. Die EZB trage Verantwortung als bedeutendste und wichtigste Institution des Währungsraums, meint hingegen Otmar Issing, der erste Chefvolkswirt der EZB. Doch diese Verantwortung reiche inzwischen weit über das hinaus, für was eine unabhängige Zentralbank demokratisch legitimiert sei, sagte er in der Börsenzeitung. Das aber werde die Politik nicht auf Dauer gutheißen, Issing fürchtet deshalb um die Unabhängigkeit der EZB.

Die ist inzwischen tatsächlich weit mehr als die Hüterin der Preisstabilität: Sie hat die Bankenaufsicht im Euroraum übernommen, und sie schaut auf die Finanzstabilität. Mit ihrer Kommunikation sorgt sie dafür, dass die Finanzmärkte in etwa wissen, wohin sie steuert. So vermeidet sie größere Unruhen an den Märkten. Und wie schnell die wieder aufkommen, zeigt sich in diesen Tagen ja an Italien.

Die Unruhe, dass die Populisten in Italien die Regierung bilden könnten – womöglich endgültig nach Neuwahlen – könnte zum Austritt Italiens aus dem Euroraum führen. Damit sinkt die Hoffnung, dass die Notenbank allmählich wieder ihre Geldpolitik normalisieren könnte. Sie wird dann womöglich dringender gebraucht denn je. DIW-Präsident Fratzscher glaubt dennoch, dass die EZB auch eine solche Krise meistern kann: er sei „felsenfest“ überzeugt, dass der Euro in noch mehr Ländern der Europäischen  Union eingeführt werde und der Euro sich zu einer zweiten, globalen Währung entwickeln werde.

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