Kommentar zu vorgeburtlichen Untersuchungen Die Gefahr der Gentests

Berlin · Vorgeburtliche Bluttests auf Down-Syndrom könnten den Druck auf werdende Mütter wachsen lassen, ein Kind ohne Behinderung zur Welt zu bringen. Eine bedenkliche Entwicklung.

 Der Schauspieler Sebastian Urbanski betont das Recht auf Leben für Menschen mit Down-Syndrom.

Der Schauspieler Sebastian Urbanski betont das Recht auf Leben für Menschen mit Down-Syndrom.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Die Schwangerschaft ist eine sehr sensible Phase im Leben einer Frau. Sie ist bestimmt von engmaschigen Untersuchungen und einer Flut von Ratschlägen aus allen Richtungen, was die werdende Mutter tun und lassen sollte, damit das Kind „Hauptsache gesund“ zur Welt kommt. Die medizinische Versorgung und das enorme Wissen um die Entstehung des Lebens sind ein Segen. Kein Zweifel.

In unserer Welt, in der wir unser Leben, unsere Karriere und unsere Familie planen, wächst aber auch der Druck auf die Frauen, ein Kind ohne Behinderung und ohne genetische Abweichungen von der Norm zur Welt zu bringen. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung. Insbesondere, wenn es um Menschen mit Down-Syndrom geht, die immer wieder auf beeindruckende Art und Weise für ihr Lebensrecht streiten.

Mit der Verlagerung der Debatte um vorgeburtliche Bluttests, die das Down-Syndrom feststellen können, vom Gesundheitswesen hin ins Parlament und damit in eine breite Öffentlichkeit ist ein wichtiger Schritt getan. Es wäre fatal, wenn Ärzte und Krankenkassen einen solchen Test als Kassenleistung zuließen, nur weil er funktioniert.

Die Gesellschaft muss sich vielmehr damit auseinandersetzen, was ein solcher Test auslöst. Es besteht die Gefahr, dass die Erwartungshaltung wächst, wonach Frauen keine behinderten Kinder mehr bekommen sollen, zumindest nicht solche mit Down-Syndrom, denn die können ja mit einem einfachen Bluttest vor der Geburt aussortiert werden.

Nun ist das Down-Syndrom ein Handicap, mit dem Menschen viel Lebensglück erlangen können. Man muss nur dem Schauspieler Sebastian Urbanski oder der 19-jährigen Natalie Dedreux zuhören, um das zu verstehen. Wir benötigen keine Bluttests, um Ungeborene mit Down-Syndrom abzutreiben. Vielmehr bedarf es einer Willkommenskultur dieser Menschen in unserer Gesellschaft. Dies würde es auch Eltern erleichtern, ihre Kinder so anzunehmen, wie sie zur Welt kommen.

Es ist eine besondere Herausforderung für Mütter und Väter, Kinder mit Behinderung großzuziehen. Anstatt, dass Krankenkassen Bluttests für Schwangere finanzieren, wäre es besser, über mehr unbürokratische Hilfen für Eltern behinderter Kinder zu reden. Sie sollten nicht um jedes medizinische Gerät und jede Anschaffung kämpfen müssen.

Das mögliche Wissen, das solche Tests bringen, ist nicht zu verdammen. Es kann Eltern auch eine Hilfe sein, wenn sie wissen, was auf sie zukommt. Doch bislang ist die Debatte darauf verengt, aus einem positiven Bluttest die Konsequenz zu ziehen, das Kind abzutreiben. Auch die ärztliche Aufklärung von Schwangeren ist davon geprägt, ein Kind mit Handicap zu verhindern.

Es ist ein Glück, dass Menschen mit Down-Syndrom selbst in der Lage sind, sich bei diesem Thema Gehör zu verschaffen und ihr Recht auf Leben zu artikulieren. Das sollten sie auch weiter umfänglich tun. Im Parlament, in Talkshows, auf großen Bühnen.

(qua)
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