Koalitionsverhandlungen Schwarz-Gelb schiebt Streitfragen auf

Berlin (RPO). Union und FDP treten in den Koalitionsverhandlungen auf der Stelle. Auch das "Beichtstuhlverfahren" hat keine Fortschritte gebracht. Vor allem bei den Steuern und in der Gesundheitspolitik steht die Koalition vor einer Wand. Zudem belastet der Frontalangriff von Ministerpräsident Christian Wulff auf die FDP die Atmosphäre. Am Sonntag bemühten sich beide Parteien dennoch um Zuversicht. Der Mittwoch soll den Durchbruch bringen.

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Union und FDP wollen die Koalitionsverhandlungen bis zum nächsten Wochenende abschließen, heißt es nun am Sonntagnachmittag. Das teilten die Generalsekretäre Ronald Pofalla (CDU), Alexander Dobrindt (CSU) und Dirk Niebel (FDP) am Sonntag nach dem Gesprächsmarathon in Berlin mit. Der Druck ist groß: Die drei Parteien haben bereits für kommenden Sonntag und den darauffolgenden Montag zu Parteitagen eingeladen, auf dem der Koalitionsvertrag beschlossen werden soll.

Kernproblem: die Steuern Vor allem beim Hauptthema Steuersenkungen beißen die Unterhändler auf Granit. Die Verhandlungen über den Umfang der geplanten Erleichterungen sollen jetzt am Mittwoch in die endgültig entscheidende Runde gehen. Dann trifft sich erneut das 27-köpfige Hauptgremium. Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) sagte, bis dahin werde eine Vorlage entwickelt, "die davon getragen ist, dass wir über die richtigen steuerpolitischen Maßnahmen Wachstum und Beschäftigung in Deutschland herbeiführen können". Die Steuersenkungen sollen seinen Angaben nach nicht über Schulden finanziert werden. Der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms fügte hinzu: "Wir haben deutliche Fortschritte gemacht, aber am Ziel sind wir noch nicht."

Zuvor hatten Union und FDP im sogenannten Beichtstuhl-Verfahren beraten - die Parteivorsitzenden und die Chefunterhändler der zuständigen Arbeitsgruppe loteten dabei Kompromissmöglichkeiten aus. Die FDP ist mit Forderungen nach Entlastungen in Höhe von 35 Milliarden Euro angetreten, die Union hat inzwischen 20 Milliarden Euro angeboten. Abschließend berieten die drei Parteien über die künftige Arbeitsmarktpolitik.

Kernproblem: der Gesundheitsfonds Die Zukunft des Gesundheitsfonds ist ebenfalls weiter strittig - es gibt nach Aussagen der Unterhändler allerdings Annäherungen. Die FDP will den Fonds abschaffen, was die Union ablehnt. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die die Union in der Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege als Chefunterhändlerin vertreten hat, sah jedoch nach einem Gespräch im kleinen Kreis am Samstagabend deutliche Fortschritte und "Gemeinsamkeiten". Der zuständige FDP-Chefunterhändler, Niedersachsens Wirtschaftsminister Philipp Rösler, zeigte sich optimistisch, dass es gelingen könne, in der nächsten Woche zu einer Einigung zu kommen.

Spannungen Am Samstag hatte es einen heftigen Streit um die Steuer- und Finanzpolitik gegeben. Auslöser: CDU-Vize Christian Wulff. Der hatte die FDP-Steuerforderungen als "realitätsfern" bezeichnet. Finanzpolitischer "Blindflug" sei das, was die Liberalen mit ihren hochfliegenden Steuerentlastungsplänen planten.

Hermann Otto Solms, der sich Hoffnungen auf das Amt des Finanzministers in einer schwarz-gelben Regierung macht, hatte noch einmal in Reinform das FDP-Steuerprogramm mit Entlastungswünschen von 35 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre aufgelistet. Das sei doch "realitätsfern", polterte Wulff, wie Teilnehmer berichten. FDP-Chef Westerwelle soll daraufhin indirekt mit Abbruch der Gespräche gedroht haben. Wenn alle in der CDU das so sähen, sei man ja "durch".

Spitzenpolitiker beider Parteien bemühten sich am Sonntag, die atmosphärischen Spannungen kleinzureden. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer ordnete die Berichte über den Eklat der Kategorie "Märchen" zu. Der Wille beider Seiten, fristegrecht gung zu kommen, ist mit Händen zu greifen. Wulff sagte inzwischen dem "Handelsblatt" laut Vorabmeldung: "Die Verhandlungen erinnern mich an den guten alten Satz: Beim Geld hört die Freundschaft auf." "Ich bin aber sicher, dass sich schließlich auch hier zeigen wird, dass die Freundschaft von Union und FDP belastbar ist", fügte der CDU-Politiker hinzu.

Einigung Immerhin haben sich die Wunsch-Partner am Wochenende auf eine gemeinsame Energie-Politik verständigt. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verkündete das Ergebnis am Rande der Koalitionsgespräche: "Wir haben einen großen Schwerpunkt gelegt - und das ist ein wesentlicher Schwerpunkt - auf die regenerativen Energien." Aber um diese Zukunft zu gewährleisten, gelte es noch eine gewisse Zeit zu überbrücken, fügte er hinzu. Und für diese Zeit werde man als Brückentechnologie die Kernkraft noch benötigen, "aber mit der Zielsetzung, dass sie auch irgendwann verzichtbar ist".

Was die Einzelheiten und Details anbelangt, werde in den nächsten Tagen trotz der Einigung an der einen oder anderen Stelle noch mal nachgeschärft werden müssen, räumte der CSU-Politiker ein. FDP-Vize Rainer Brüderle hatte zuvor hervorgehoben, dass es im Detail "viele Schwierigkeiten" gebe.

(DDP/RTR)
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