Psychogramm eines Staatsmanns Helmut Kohl — das Filmereignis

(RP). Das ZDF sendet am Dienstagabend um 20.15 Uhr das Doku-Drama "Der Mann aus der Pfalz". Der 90-minütige Film zeichnet ein großartiges Psychogramm des Staatsmanns, Machtpolitikers und Menschen Helmut Kohl.

Bilder der ZDF-Biografie über Helmut Kohl
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Es sind mehr als diese zwei Filmszenen, die uns am kommenden Dienstagabend im ZDF an einem Fernsehereignis, einem eindrucksvollen Psychogramm der Macht teilhaben lassen. Aber diese beiden Szenen haben Schlüsselcharakter zum Verständnis vom Aufstieg Helmut Kohls, des Mannes aus der Pfalz, des jungen Stürmers und Drängers aus Ludwigshafen zur CDU-Machtmaschine, zu einem "der großen deutschen Kanzler" (Thomas Bellut, ZDF).

Erste Szene, Sommer 1989: Kohls Büroleiterin Juliane Weber meldet dem Kanzler (fabelhaft dargestellt von Thomas Thieme): "Heiner Geißler ist da." Kohls knappe Antwort: "Soll reinkommen." Frau Weber fragt: "Soll ich Kaffee bringen"? Kohl (barsch): "Nein." Man ahnt: Das wird ungemütlich. So ist es: Der CDU-Vorsitzende eröffnet seinem konsterniert wirkenden Partei-Generalsekretär Geißler (dargestellt von Claus-Theo Gärtner, "Matula"), dass er ihn ablösen werde: "Die Partei geht dich nichts mehr an."

Geißler war Kohls Entdeckung, als der spätere Kanzler in Rheinland-Pfalz Ministerpräsident wurde, "King of Mainz" hieß und helle Köpfe um sich scharte, um den Mief "konservativer Spießer" (der junge Kohl) aus der Landespartei zu pusten. Jetzt zerschnitt Kohl kühl bis ans Herz das Tischtuch, weil er längst spürte: Der Heiner "und seine Spießgesellen" (Kohl zu seiner Frau Hannelore) wollten ihn abservieren.

Kohl und Erhard

Zweite Szene, Herbst 1966, Bonner Kanzlerbungalow: Ludwig Erhard hat als Kanzler resigniert, der junge Aufsteiger aus Mainz (ihn verkörpert ebenfalls gekonnt Stephan Grossmann) ist als einziger der engeren CDU-Führung bei Erhard hocken geblieben. Erhard trinkt reichlich Whisky, sinniert über die Macht, nennt sie "etwas Dummes", sagt dann zu seinem Gegenüber: "Sie mit ihren 36 Jahren haben hundert Mal besser begriffen als ich, wie man die Fäden in der Hand hält." Kohl saugt an der Pfeife, denkt laut darüber nach, dass Erhard zu harmoniebedürftig sei, und darüber, dass der, der Macht nicht nutze, nichts gestalten könne.

Kohl, den CSU-Boss und Widersacher Franz Josef Strauß in sträflicher Fehleinschätzung als "total unfähig" bezeichnet hatte, dessen pfälzisches Idiom (das im Film nicht zum Ausdruck kommt) von Hochmütigen als Ausdruck dafür gewertet wurde, dass hier ein Provinzheini am großen Rad zu drehen versuchte — dieser Kohl spricht im Film von Regisseur Thomas Schadt weitere Schlüsselsätze.

Einmal steht Kohl vor seinen Zierfischen im Kanzlerbüro, der Showdown mit Geißler, Späth, Süßmuth, Biedenkopf auf dem Bremer CDU-Bundesparteitag 1989 ist nah, und er murmelt: "In der Politik ist es wie im Aquarium: fressen und gefressen werden." Kohl hatte immer guten Appetit — und kaum je Beißhemmung oder Schluckbeschwerden.

"Ich habe eine Ochsennatur"

Sich selbst attestiert Kohl eine Ochsennatur. Ohne die hätte er den Machtkampf mit denen, die "mich weghauen" wollten, nicht durchgehalten. Stundenlang saß er, erkrankt an der Prostata und Schmerzattacken unterdrückend, in Bremen auf dem Parteitags-Podium, bot dort den "Frondeuren" die Stirn und begab sich nach getaner Arbeit zurück in die urologische Klinik. Berechnend hatte er zum Kongressbeginn die Bekanntgabe der historisch bedeutsamen ungarischen Grenzöffnung für DDR-Flüchtlinge zu seinen Gunsten im innerparteilichen Machtspiel genutzt.

"Der Mann aus der Pfalz" will keine umfassende Biografie bieten — der Film blendet etwa die Spendenaffäre oder die Abwahl 1998 aus — zeigt aber den stattlichen, forschen Jüngling, den Nachkriegs-Studenten der Geschichte, der mit seiner Tanzstundenliebe und späteren Ehefrau Hannelore Renner bei Glenn-Miller-Rhythmen swingt.

Der Film beleuchtet in großen szenischen, teilweise dokumentarischen Streifen den Staatsmann Helmut Kohl, der ab November 1989, als die Geschichte in Mitteleuropa einen Tigersprung machte, die Gunst der historischen Stunde erkannte und nutzte. Vor der Gardinenfront des Kanzlerbungalows stehend fleht er: "Gütiger Gott, gib uns die Kraft, das Richtige zu tun und bewahre uns vor einem Krieg." Hier grübelt der Staatsmann, den vom Politiker bekanntlich unterscheidet, dass jener an die nächste Generation, dieser an die nächste Wahl denkt.

(RP)
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