Wulff soll selbst Sponsoren geworben haben Opposition sieht in Glaeseker ein Bauernopfer

Düsseldorf · Für Bundespräsident Christian Wulff spitzt sich die Lage ein weiteres Mal zu. Nicht nur Oppositionspolitiker zeigen sich überzeugt: Die Korruptions-Vorwürfe gegen seinen Vertrauten Olaf Glaeseker könnten ihn den Kopf kosten. Nach Angaben der SPD in Niedersachsen schaltete sich Wulff selbst aktiv in die Geschäfte mit ein.

 Die Ermittlungen gegen Olaf Glaeseker bringen Bundespräsident Christian Wulff in die Bredouille.

Die Ermittlungen gegen Olaf Glaeseker bringen Bundespräsident Christian Wulff in die Bredouille.

Foto: dapd, Nigel Treblin

Wulff habe sich als Regierungschef im Land persönlich um Sponsoren für die umstrittene Veranstaltung Nord-Süd-Dialog bemüht. Größere Unternehmen hätten das bestätigt, sagte der SPD-Fraktionschef im Landtag, Stefan Schostok, am Montag im Deutschlandfunk. So hätten zum Beispiel der Reisekonzern TUI und der Versicherer Talanx erklärt, dass sie angesprochen worden seien, sagte Schostok.

"Es gibt bisher keine Vorwürfe gegen mich", betonte der Bundespräsident noch am Sonntag in Berlin. Das Wörtchen "bislang" lässt dabei aufhorchen. Aus Sicht der Opposition in Niedersachsen ist das Verhalten des früheren Ministerpräsidenten und jetzigen Staatsoberhauptes ein Fall für das Gericht. Das Misstrauen ist ausgeprägt, das Vertrauen in die Worte des Bundespräsidenten auf dem Tiefstand. Der Vorsitzende der Landes-Grünen, Stefan wenzel, bezeichnete Wulff unlängst öffentlich als Lügner.

Am Montag ließ die Opposition aus Hannover erneut keine Zweifel daran, dass sie Wulff nicht mehr über den Weg traut. Mit Blick auf die umstrittene Lobby-Veranstaltung "Nord-Süd- Dialog" die Ermittlungen gegen Olaf Glaeseker sagte Wenzel der hannoverschen "Neuen Presse": "Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Glaeseker zum Bauernopfer gemacht werden soll. In der Vergangenheit passte zwischen Wulff und Glaeseker kein Blatt Papier (...). Insofern halte ich es nicht für vorstellbar, dass all diese Dinge an Wulff vorbeigegangen sein sollen." Wenzel forderte Wulff auf, endlich alle Fakten auf den Tisch zu legen.

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag, Stefan Schostok, bezweifelt Alleingänge Glaesekers. Er sagte der Zeitung: "Es wird alles auf den Sündenbock Glaeseker geschoben, als hätte keiner gewusst, was der Regierungssprecher macht". Der SPD-Politiker betonte: "Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Amtsführung der jeweiligen Landesregierung." Die amtierende CDU/FDP-Regierung unter Wulffs Nachfolger David McAllister habe sich bisher nur auf Angaben Dritter verlassen, kritisierte Schostok. "Erst jetzt fängt sie mit der Aufklärung an. Das finde ich peinlich."

Auch der schleswig-holsteinische FDP-Wahlkämpfer Wolfgang Kubicki distanziert sich von Wulff. Er geht davon aus, dass Wulff durch die Ermittlungen gegen Glaeseker noch weiter in die Enge gerät. "Das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Glaeseker birgt für Bundespräsident Wulff die größten Risiken und Gefahren", sagte Kubicki unserer Redaktion. In solchen Unterlagen ließe sich immer etwas Belastendes finden. Ein Bundespräsident, der gegen die Verfassung verstoße, sei jedoch nicht mehr zu halten.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast legte Wulff am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" den Rücktritt nahe: "Er ist untragbar. Herr Bundespräsident, erlösen Sie uns!" Das Amt sei "vielleicht reparabel, aber nicht seine Unglaubwürdigkeit", sagte Künast. "Er hat Transparenz versprochen und geht dem ganzen Land damit auf die Nerven, dass er sie nicht herstellt."

SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangte Wulffs Rücktritt in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" am Abend nur indirekt: "Also wenn wir erklären, wir wollen mit der Kanzlerin einen neuen wählen, dann ist doch klar, dass wir wollen, dass er zurücktritt. Aber wir können ihn nicht dazu zwingen."

Bundespräsident Wulff hatte die Vorwürfe gegen seine frühere niedersächsische Landesregierung am Sonntag selbst als "ernsten Vorgang" bezeichnet und eine neutrale Aufklärung durch die Justiz gefordert. Eigenen Versäumnisse sah er nicht. Wulffs ehemalige CDU/FDP-Regierung steht im Verdacht, dem Landtag 2010 die Unwahrheit über die Finanzierung der Lobby-Veranstaltung gesagt zu haben.

Wulff äußerte am Sonntag die Bereitschaft, sich bei Regierung und Staatsanwaltschaft in Hannover zu äußern. Zugleich betonte der Ex-Ministerpräsident, dass er nicht an Rücktritt denke. Auf der Veranstaltung wurden mehrfach kritische Zwischenrufe aus dem Publikum laut, dem Bundespräsidenten muss die Talkrunde zeitweise wie ein Spießrutenlauf vorgekommen sein.

Die niedersächsische SPD will die Regierung Wulff wegen Täuschung des Parlamentes vor dem Staatsgerichtshof verklagen. Die Partei bereite das derzeit vor, sagt Landeschef Schostok. Die Klage werde wohl innerhalb der nächsten zwei Wochen eingereicht. Erfahrungsgemäß werde es etwa bis zu drei Monaten dauern, bis der Staatsgerichtshof zu einem Ergebnis gekommen sei.

Die jetzige Regierung von Ministerpräsident McAllister macht für die Falschinformation des Parlaments Wulffs früheren Sprecher Glaeseker verantwortlich, gegen den die Staatsanwaltschaft Hannover wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt.

Hintergrund sind Informationen, wonach Gäste der Veranstaltung Kochbücher als Abschiedsgeschenk erhalten haben, die das Landwirtschaftsministerium mit 3411 Euro finanzierte. Wulffs Staatssekretär hatte aber 2010 auf eine SPD-Anfrage im Landtag versichert, der Nord-Süd-Dialog sei eine Privatveranstaltung, es gebe keine Beteiligung oder Finanzierung durch das Land.

(dpa/REU)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort