Wulff kämpft in der Talkrunde Zwischenrufe in Berlin

Berlin · Ortstermin in Berlin. Der Bundespräsident hat für eine Talkrunde zugesagt. Als er auf die Bühne kommt, zwingt er sich zu einem Lächeln. Dabei fällt die Begrüßung der Gastgeber durchaus freundlich aus. Das Publikum aus dem Saal ist weniger friedfertig. "Das ist ja unerträglich", unterbricht der erste Zwischenruf bereits die Anmoderation.

 Bundespräsident Wulff hatte bei der Zeit-Matinee in Berlin einen schweren Stand.

Bundespräsident Wulff hatte bei der Zeit-Matinee in Berlin einen schweren Stand.

Foto: dapd, Michael Gottschalk

Es will einfach kein Lächeln werden. Bundespräsident Christian Wulff verliert den Kampf gegen die eigenen Gesichtszüge schon, als er auf die Bühne des Berliner Ensembles klettert. Angespannt sitzt er im Sessel, presst die Hände zusammen und ringt um einen souveränen Ausdruck. Wulff stellt sich an diesem Sonntag der Öffentlichkeit in einer Diskussionsrunde, aber er fühlt sich sichtlich unwohl.

Dabei war die Begrüßung durchaus freundlich: Wulff sei ein Mensch, der früher nicht mal seinen Teddy verprügelt habe, vermerkt der Moderator zu seinen Gunsten. Das Publikum im Saal gibt sich weit weniger friedfertig: "Das ist ja unerträglich", unterbricht der erste Zwischenruf bereits die Anmoderation.

Hämisches Gelächter

Hämisches Gelächter muss der Bundespräsident ein paar Minuten später über sich ergehen lassen, als die Rede darauf kommt, wie er als Ministerpräsident in Niedersachsen einmal auch sich selbst das Weihnachtsgeld gekürzt habe. Keine Frage: So viel Bescheidenheit wollen die Kritiker im Publikum dem Staatsoberhaupt heute nicht mehr abnehmen. Wulff hat einen schweren Stand bei den Zuschauern, auch wenn "Zeit"-Herausgeber Josef Joffe seine Fragen oben auf der Bühne ruhig und höflich formuliert.

Aber Wulff hat seit dem folgenreichen Interview von ARD und ZDF dazugelernt: Anders als damals setzt er dieses Mal nicht auf Konfrontation. Er sagt häufiger "ich" und zieht sich seltener auf das distanzierte "man" zurück. So schafft er es langsam, das in Teilen aufgebrachte Publikum zu besänftigen und sogar Pluspunkte einzuheimsen.

Wulff bleibt seiner Linie treu

Von seiner Argumentation allerdings verabschiedet sich der Präsident nicht: Auf eine Frage nach der Tugendhaftigkeit im Amt weicht Wulff in großem Bogen aus. Trotz seines tiefen Absturzes in Umfragen spricht er lediglich von "ein wenig Vertrauen", das er in den vergangenen Wochen eingebüßt habe. Vorwürfe an die eigene Adresse will der Präsident nicht erkennen: "Das sind keine einfachen Situationen", sagt er. "Auch nicht für mich.
Aber wenn ich sehe, was es alles für Vorverurteilungen gegeben hat, durch Anklage, durch Urteilsprechen und Vollstrecken auch noch gleich, dann muss ich schon sagen, dass es bisher keine Vorwürfe gegen mich gibt", vollführt das Staatsoberhaupt eine Volte. Und er warnt davor, Nachwuchspolitiker durch eine "übertriebene Auflösung der Privatsphäre" von einem öffentlichen Engagement abzuschrecken.

Wulff nennt angekündigte Klage berechtigt

Die Stimmung schlägt um, als Joffe nach knapp 20 Minuten die Zwischenrufe und das Grummeln leid ist und um Ruhe bittet. Nun stellt sich Wulff überraschend auf die Seite der Zwischenrufer und verschafft sich damit für die restliche Veranstaltung tatsächlich Ruhe. "Das Gute ist doch, dass man hier im Land alles sagen kann", betont der Präsident. "Es ist auch gut, wenn man mal einen Zwischenruf macht, das ist wirklich Demokratie." Nach dieser kurzen Episode taut Wulff sichtlich auf: Plötzlich gelingt das Lächeln, er gestikuliert lebhaft und wippt mit den Füßen, während er über soziales Engagement und die Rolle der Parteien plaudert.

Auch Wulffs Aussagen zu seiner Kredit- und Medienaffäre wirken plötzlich entspannter. Überraschend offen reagiert er auf die Ankündigung der niedersächsischen SPD, ihn vor dem Landesverfassungsgericht verklagen zu wollen. Anlass ist die mutmaßliche finanzielle Unterstützung der Veranstaltung Nord-Süd-Dialog durch die Landesregierung, was diese bisher bestritten hatte.

"Sollte jetzt doch Steuergeld hineingeflossen sein, hätten wir dem Parlament gegenüber nicht die Wahrheit gesagt", räumt Wulff ein. "Das ist ein ernster Vorgang, der zu Recht jetzt vermutlich vor dem Staatsgerichtshof geklärt werden wird." Er habe nicht die Neigung, die Verantwortung für eigene Fehler den Medien zuzuschieben.

Und er pocht darauf, dass er die volle Amtszeit bis 2015 absolvieren will und nicht an einen Rücktritt denkt.

Hinschmeißen komme für ihn nicht infrage, sagt er. Er habe aber aus den vergangenen Wochen auch einige Lehren gezogen. So würde er bestimmte Anrufe nicht mehr tätigen, spielt er auf seinen umstrittenen Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann an.
"Die Medien sind das eine, der Bundespräsident ist das andere, und die Bürgerinnen und Bürger sind das wichtigste", betont Wulff. "Am Ende darf man sich selber nicht so wichtig nehmen - weder die Medien, noch sich selbst."

(REU)
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