Landesverrats-Affäre Juristen fürchten Schaden für die Justiz

Karlsruhe · Die Affäre um die Landesverrats-Ermittlungen treibt auch Juristen um. Ihnen geht es um die angebliche Weisung des Bundesjustizministers - und damit um eine mögliche politische Einflussnahme auf das Verfahren.

Das ist Heiko Maas
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Foto: dpa, Hannibal Hanschke

Es gibt Juristen, für die ist die Landesverrats-Affäre ein handfester Skandal. Doch dabei geht es ihnen weniger um die viel kritisierten Ermittlungen gegen Journalisten des Blogs Netzpolitik.org oder den Rauswurf von Generalbundesanwalt Harald Range. Sie treibt das Ansehen der Justiz in der Bevölkerung um.

So schimpft der Chef des Deutschen Richterbundes Christoph Frank: "Die Arbeit der Staatsanwaltschaft wird so öffentlich diskreditiert und das Vertrauen in eine objektive Strafverfolgung beschädigt."

Gemeint ist damit die Weisung, die Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erteilt haben soll. Ob es eine gab, ist zwischen Berlin und Karlsruhe umstritten. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hatte Anzeige erstattet, weil der Blog interne Papiere aus seinem Haus veröffentlicht hatte. Range ermittelte und gab ein Gutachten in Auftrag.

Berlin: Breite Unterstützung für "Netzpolitik.org"
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Im Laufe der Affäre trat Range am Dienstag dann vor die Presse und warf Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mit harschen Worten politische Einflussnahme auf die Ermittlungen mittels einer Weisung vor. Demnach musste er seinen Gutachter zurückpfeifen, der die veröffentlichten Papieren als Staatsgeheimnisse eingestuft hatte.

In Berlin heißt es dagegen, es sei am vergangenen Freitag Einigkeit darüber erzielt worden, dass das Gutachten durch eine Stellungnahme des Ministeriums ersetzt werde.

Diesen Unterschied kann nicht jeder nachvollziehen: "Das Problem sehe ich nicht in der Streitfrage, ob eine ausdrücklich Weisung ergangen ist oder nicht", sagt etwa der Richter am Bundesgerichtshof (BGH) und ehemalige Staatsanwalt Harald Reiter vom BGH-Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte. Wichtig sei doch, dass offenbar in "laufende, prozessordnungsgemäßen Ermittlungen" eingegriffen worden sei um ein politisch gewolltes Ergebnis zu erzielen. Den Verein hat das so genervt, dass er Mittwoch erstmals an die Öffentlichkeit getreten ist.

Das ist der frühere Generalbundesanwalt Harald Range
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Unbestritten ist: Im Gegensatz zu den Richtern sind alle Staatsanwälte Weisungen unterworfen. Sie müssen wie Angestellte einer Firma auch ihrem Vorgesetzten Berichte über ihr Tun erstatten und (An-)Weisungen umsetzen. Oben in dieser Hierarchie steht der Generalstaatsanwalt. Er aber muss seinem Landesjustizminister Bericht erstatten.

Hier kommt das sogenannte externe Weisungsrecht ins Spiel, um das es im Fall Maas-Range geht. Auch auf Landesebene sind derartige Anweisungen möglich - und sie sind schon vorgekommen. So hat im Fall Gustl Mollath die damalige Bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) 2012 eine Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet.

Das scheint jedoch die berühmte Ausnahme zu sein: Denn von solchen Weisungen wird nach einmütigen Erzählungen von Ministerialen und Staatsanwälten so wenig Gebrauch gemacht, dass es keine Zahlen, keine Untersuchungen darüber gibt. Es ist ein Graubereich der Justiz.

Gegängelt fühlt sich die Staatsanwaltschaft durch die bisherige Praxis jedoch nicht. So wird fast ausschließlich mündlich zwischen Generalstaatsanwalt und der Arbeitsebene eines Ministeriums über das Vorgehen in einem brisanten Fall diskutiert. An deren Ende steht in der Regel eine formlose Einigung. Schriftliche und damit förmliche Weisungen seien extrem selten, heißt es. Eben weil sie so heikel seien. An Gerichtsverfahren darüber kann sich keiner erinnern.

Denn jeder wie auch immer geartete Eingriff in die Entscheidungsabläufe der Staatsanwaltschaft ist mit einem politischen Risiko für den Minister verbunden. Das sieht man an der aktuellen Affäre. Wie oben beschrieben soll es auch auf höchster Ebene zwischen dem Bundesjustizministerium und dem jeweiligen Generalbundesanwalt in der Regel ablaufen - und im speziellen Fall auch abgelaufen sein. In Berlin kann sich außerdem niemand erinnern, dass in den letzten Jahrzehnten überhaupt eine formelle Weisung gegeben hätte. Auch dies unterstreicht die Brisanz des aktuellen Falls.

(dpa)
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