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Bundestagsabgeordnete Lammert kritisiert zu viele Auslandsreisen

Berlin · Bundestagspräsident Norbert Lammert beklagt das Fernweh der Parlamentarier: Der Bundestag sei im internationalen Vergleich Spitzenreiter bei Auslandsreisen, seit Beginn der Wahlperiode über 1149. Immer häufiger sind die Abgeordneten allein unterwegs.

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Foto: RP/Elsa Dittert

Zum täglich Brot der Haushaltspolitiker im Deutschen Bundestag gehören gemeinhin die endlosen Zahlenkolonnen des Haushaltsplans oder die komplizierten Gesetzentwürfe zur Euro-Rettung. Doch mitunter ist der Alltag des Haushaltspolitikers gar nicht so grau, wie er auf den ersten Blick aussieht: Die Mitglieder des mächtigen Haushaltsausschusses sind nämlich allesamt "Berichterstatter" ihrer Fraktionen für die Aktivitäten der einzelnen Bundesministerien — und als solche können sie im Ausland überprüfen, was die Ministerien dort so alles mit den Steuermillionen der Bürger anstellen.

 Seine interne Kritik will Norbert Lammert öffentlich nicht wiederholen.

Seine interne Kritik will Norbert Lammert öffentlich nicht wiederholen.

Foto: ddp

Seit Beginn der Wahlperiode flogen Mitglieder des Haushaltsausschusses schon nach Panama, Brasilien, Australien, Vietnam oder Hongkong. Anfang Januar informierten sich vier von ihnen auch auf Kuba "über den Stand der Reformbemühungen nach dem Rückzug von Fidel Castro aus dem aktiven Regierungshandeln". Herbert Frankenhauser (CSU), Klaus Brandner (SPD), Jürgen Koppelin (FDP) und Michael Leutert (Linke) sind "Berichterstatter" für den Einzelplan des Auswärtigen Amtes — und als solche in der glücklichen Lage, noch häufiger als ihre Kollegen die Aktivitäten des Außenministeriums im Ausland auch mal vor Ort beobachten zu dürfen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sieht die Reisefreude der 620 Bundestagsabgeordneten allerdings zunehmend kritisch. Schon Mitte 2010 hatte er einen Brandbrief an alle Parlamentarier geschickt. Die Mandatsträger seien zu viel im Ausland unterwegs, warnte Lammert und bat um Mäßigung. Doch die blieb anscheinend aus: Bei den Einzeldienstreisen gab es 2011 sogar eine weitere Steigerung gegenüber 2010. Insgesamt 428 Einzeldienstreisen registrierte die Bundestagsverwaltung, im Jahr 2010 dagegen waren es noch 380.

Der Deutsche Bundestag sei "im Vergleich zu anderen Parlamenten bei Reisen Spitzenreiter", beklagte Lammert laut Protokoll einer Sitzung mit den Vorsitzenden der Ausschüsse und Enquete-Kommissionen des Bundestags am 30. November 2011. Der Bundestagspräsident "macht insoweit auf den steigenden Umfang von Einzeldienstreisen aufmerksam sowie darauf, dass es auch bei der Reisebegleitung von Bundesministern und Parlamentarischen Staatssekretären durch Abgeordnete des Deutschen Bundestags eine besonders dynamische Entwicklung gegeben habe", heißt es in dem Protokoll. Lammert habe die Abgeordneten aufgefordert, künftig doch lieber Delegations- als Einzeldienstreisen zu unternehmen.

In den zwei Jahren vom Beginn der Wahlperiode bis Ende September 2011 zählte die Bundestagsverwaltung insgesamt 1149 Reisen ins Ausland, davon allein 732 Einzeldienstreisen und 145 Reisen von Ausschussdelegationen. Die Pflege der Kontakte und das Sammeln von Erfahrungen kostete den Steuerzahler knapp fünf Millionen Euro, heißt es im jüngsten Bericht über die "internationalen Aktivitäten und Verpflichtungen des Deutschen Bundestages", den Lammert alle zwei Jahre vorlegen muss.

Seine interne Kritik am teuren Fernweh der Parlamentarier will der Bundestagspräsident öffentlich nicht wiederholen: "Die Auslandsreisen der Abgeordneten entsprechen in Art und Umfang den wachsenden internationalen Aufgaben und Verpflichtungen des Bundestages innerhalb und außerhalb der EU", sagt Lammert auf Aufrage. "Alle Dienstreisen, Einzel- wie Delegationsreisen bedürfen der Zustimmung des Präsidenten oder des Präsidiums des Bundestages, die nicht erfolgt, wenn Zweifel an der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit beantragter Reisen bestehen."

Der Vorsitzende des Tourismus-Ausschusses im Bundestag, Klaus Brähmig (CDU), kann das Interesse vieler Medien an der Reisetätigkeit der Parlamentarier nicht nachvollziehen. Ihn plagt, dass die Delegationsreisen "in der Medienberichterstattung häufig als ,Lustreiseclubs´ bezeichnet würden", wie im Protokoll der Sitzung vom 30. November niedergelegt ist. Er gebe hier nur ein "häufig von Kollegen mitgeteiltes Stimmungsbild" wieder.

Wer mitunter selbst als "Berichterstatter" im Ausland unterwegs ist, will mit kritischen Bemerkungen über andere reisende Kollegen nicht auffallen. Viele Haushaltspolitiker finden also nichts an der wachsenden Zahl der Reisen. Die Bundeskanzlerin fordere die Parlamentarier immer wieder auf, mehr für deutsche Ideen im Ausland zu werben, sagt etwa Norbert Barthle, Chef-Haushälter der Union.

Nur Priska Hinz, Barthles Counterpart bei den Grünen, meint: "Ich weiß nicht, ob jede einzelne Reise sein muss. Ich finde es richtig, dass der Bundestagspräsident die Reisetätigkeit der Abgeordneten überprüft. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass Abgeordnete sinn- oder zwecklos herumreisen."

(RP/csi/rm)
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