Zweifel an Schwarz-Grün Hamburgs Grüne hadern mit dem Neuen

Hamburg (RPO). Der Abgang Ole von Beusts und das Scheitern der Schulreform stürzen Schwarz-Grün in Hamburg in eine Identitätskrise. Der amtsmüde von Beust personifizierte das Bündnis wie kein Zweiter. Nun werden bei den Grünen Zweifel am Nachfolger Christoph Ahlhaus laut. Ob die Partei den CDU-Mann mit dem Ruf eines Hardliners unterstützen wird, ist mehr als offen.

 Der designierte Hamburger Bürgermeister Christoph Ahlhaus gilt als Hardliner mit Ehrgeiz.

Der designierte Hamburger Bürgermeister Christoph Ahlhaus gilt als Hardliner mit Ehrgeiz.

Foto: ddp, ddp

Dem ersten Schrecken folgte bei den Hamburger Grünen die Orientierungssuche. Schwarz-Grün mit einem Law-and-Order-Mann an der Spitze - viele empfinden das als unzumutbar. Schon die Zusammenarbeit mit von Beust hatte etliche Grüne anfangs an ihre Grenzen gebracht. Nun stellen die Grünen Forderungen an den derzeitigen Innensenator. "Wir brauchen ein Signal der Verlässlichkeit in Hinblick auf den liberalen Kurs und für zentrale Punkte im Koalitionsvertrag", sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan am Montag in Hamburg. Die CDU beteuerte, die Koalition mit den Grünen fortsetzen zu wollen.

 Eine Frau im Augenblick der Niederlage: Hamburgs Schulsenatorin Christa Goetsch (Grüne) scheitert mit ihrem Projekt Primarschule am Willen der Hamburger.

Eine Frau im Augenblick der Niederlage: Hamburgs Schulsenatorin Christa Goetsch (Grüne) scheitert mit ihrem Projekt Primarschule am Willen der Hamburger.

Foto: ddp, ddp

Bei denen aber hat einen Tag nach der Wahlniederlage bei dem Volksentscheid über die Primarschule die Ursachenforschung begonnen. "Das war ein schwerer Schlag für unsere Partei", sagte Kerstan am Montag. "Im Hinblick auf den Volksentscheid und den Bürgermeisterwechsel stellen wir uns schon die Frage, wie es weitergehen soll." Auf ihrer Mitgliederversammlung am 22. August wollen die Grünen über die Fortführung der Koalition unter dem CDU-Politiker Ahlhaus entscheiden. Schwarz-Grün braucht einen Neuanfang.

Bislang sei Beust die zentrale Figur gewesen, ohne die es Schwarz-Grün nicht gegeben hätte, sagte Kerstan. Er sei der Garant für eine liberale Großstadt-CDU gewesen. Nun liege es an der CDU zu klären, wie sie sich die weitere Zusammenarbeit vorstelle. CDU-Landeschef Frank Schira versicherte, dass Ahlhaus sich als verlässlicher Partner unter Beweis stellen werde. "Wer Ahlhaus kennt, weiß, dass er ein sehr pragmatischer und toleranter Gesprächspartner ist, der liberale Wurzeln hat", sagte Schira.

Am Montagabend habe ihn die CDU-Bürgerschaftsfraktion einstimmig als Kandidaten für das Bürgermeisteramt nominiert, teilte die Fraktions-Sprecherin mit. Am 25. August soll dann die Hamburger Bürgerschaft bei ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause über die Nachfolge von Beusts abstimmen. Um Bürgermeister zu werden, ist der CDU-Politiker Ahlhaus auf die Stimmen der Grünen angewiesen.

Ole von Beust zeigte sich zuversichtlich, dass der Innensenator die Zustimmung der Grünen erhält. Der scheidende Bürgermeister sieht die schwarz-grüne Koalition nicht durch seinen Rückzug gefährdet. "Die Koalition ist nicht mein alleiniges Werk", sagte er am Montag in Berlin. Die Partner hätten "sehr gut, teilweise freundschaftlich" zusammengearbeitet. Sein Nachfolger werde das "genauso vertrauensvoll" tun.

Doch die Zuversicht könnte trügen. Die Grünen wissen nur zu gut, dass sie nicht auf die Union angewiesen sind. In der politischen Gemengelage der Hansestadt nehmen sie weiter eine Schlüsselrolle ein. Im Spiel der Möglichkeiten hätte Rot-Grün bei Neuwahlen eine realistische Chance. Dass die Sozialdemokraten seit der erklärung von Beusts so vehement Neuwahlen fordern ist kein Zufall: Die SPD hat in den Umfragen die CDU längst überholt. "Da liegt der Ball nun im Garten der Grünen", sagte der Hamburger SPD-Chef Olaf Scholz am Montag im Interview mit sueddeutsche.de.

Doch wenn die so umworbenen Grünen sich nun zusammensetzen, werden sie zunächst eigene Wunde Lecken. Beschädigt ist insbesondere Schulsenatorin Goetsch, die die Einführung der Primarschule zu ihrer Herzensangelegenheit gemacht hatte. Zurücktreten will sie nicht. Das Ergebnis des Volksentscheids sei enttäuschend und bitter, weil mit dem Scheitern der sechsjährigen Primarschule ein zentraler Teil der Schulreform nicht umgesetzt werden könne. Sie wolle nun die verbliebenen Teile der Reform vorantreiben. Dazu zählten die Stadtteilschulen, in denen Haupt-, Gesamt- und Realschulen ab August integriert würden.

Der CDU-Landeschef Schira stärkte der Grünen-Senatorin den Rücken. Auch wenn die Zusammenarbeit nicht immer einfach gewesen sei, leiste Goetsch ausgezeichnete Arbeit, und es gebe überhaupt keine Forderung nach ihrem Rücktritt. "Wir haben eine Niederlage erlitten, das ist bittere Pille für alle in der Hamburger Bürgerschaft", sagte Schira am Montag. "Wir alle waren nicht fehlerfrei in der Sache." Es sei eine Sachentscheidung der Bürger gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Nun werde nach den Ursachen der Niederlage gesucht.

Goetsch hätte sich für den Rücktritt von Beusts einen anderen Zeitpunkt gewünscht. "Ich respektiere die Entscheidung des Bürgermeisters schweren Herzens", sagte die Grünen-Politikerin. SPD-Landeschef Olaf Scholz dagegen zeigte wenig Verständnis für von Beusts Entscheidung. Er sei zurückgetreten, weil er keine Lust mehr habe.

(apd/pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort