US-Präsidentschaftswahl Wer für Trump gestimmt hat — und wer für Clinton

Düsseldorf · Kaum jemand hat den Erdrutschsieg von Donald Trump kommen sehen, dabei gab es durchaus Anzeichen. Wie schon beim britischen EU-Referendum gaben Wähler den Ausschlag, die von Meinungsforschern und Medien nicht ernst genug genommen wurden.

Donald Trump gegen Hillary Clinton - das war das Duell bei den US-Präsidentschaftswahlen.

Donald Trump gegen Hillary Clinton - das war das Duell bei den US-Präsidentschaftswahlen.

Foto: dpa, skm axs

Es ist ein Debakel, ein einziges Desaster. Ein ganzer Hagel von Meinungsumfragen war in den letzten Tagen vor der US-Wahl auf das Land niedergegangen, und das Ergebnis schien eindeutig: Hillary Clinton macht das Rennen, wenn auch knapp. Von 67 Befragungen sahen lediglich vier Donald Trump vorne. Aber sie wurden ignoriert. Und so ist die faustdicke Trump-Überraschung nicht nur den Demoskopen zuzuschreiben, sondern auch dem Versagen der amerikanischen Medien.

Sie haben das Ausmaß der Wut eines großen Teils der Wählerschaft völlig unterschätzt — oder auch verdrängt. Dass ein so vulgärer und schamloser Kerl wie Donald Trump Präsident werden sollte, das konnte einfach nicht sein. "Die Medien wollten es einfach nicht glauben. Also schauten sie weg", schreibt die Washington Post selbstkritisch. Viele fühlen sich erinnert an das britische EU-Referendum, dessen Ausgang auch niemand vorhergesehen hatte. Am Mittwoch erlebte Amerika seinen Brexit.

Was ist geschehen? Kurz gesagt: Trump hat seine Hauptzielgruppe weit stärker mobilisieren können als Clinton ihre Klientel. Trump zielte parteiübergreifend vor allem auf Wähler, die vom politischen Establishment in Washington die Nase voll haben. Menschen, die sich betrogen fühlen von den politischen und ökonomischen Eliten, die stets die Vorzüge des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels predigen, diese aber gerne alleine genießen. Trump gelang damit ein spektakulärer Einbruch in die Wählerschicht mit einem Jahreseinkommen unter 30.000 Dollar — bislang eine Bastion der Demokraten.

Hier verlor Clinton glatte zehn Prozentpunkte gegenüber der Wahl vor vier Jahren, und auch bei den Wählern mit Gehältern bis 50.000 Dollar musste sie kräftig Federn lassen. Ganz besonders erfolgreich war Trump bei weißen Wählern ohne College-Abschluss. Hier holte er zwei Drittel der Stimmen, sechs Punkte mehr als der republikanische Kandidat Mitt Romney 2012. Allerdings ist es nicht so, dass Trump allein bei Wählern mit geringer Schulbildung punkten konnte. Bei den Amerikanern mit College-Abschluss liegt sein Ergebnis nahe bei dem Clintons.

Clinton hatte in der Schlussphase des Wahlkampfs noch einmal ganz vehement vor allem an Schwarze und Latinos appelliert, wichtige Pfeiler einer Regenbogenkoalition, zu der auch weibliche Wähler und sexuelle Minderheiten gehören, und die ihr nach fester Überzeugung vieler Analytiker angesichts des demografischen Wandels in den USA den Sieg praktisch garantieren musste. Aber der bis in die eigenen Reihen umstrittenen Kandidatin gelang es nicht, dieses Wählerpotenzial auch voll auszuschöpfen.

Besonders überraschend: Das vergleichsweise schwache Abschneiden Clintons bei den Frauen. Während ihre glühendsten Anhänger die Wahl zur Abstimmung über den Gender-Fortschritt stilisierten und für den historischen Einzug der ersten Frau ins Weiße Haus trommelten, tat ihr Rivale Trump alles, um sich mit sexistischen Sprüchen und abstoßendem Macho-Gehabe bei den Amerikanerinnen unmöglich zu machen. Die Sache schien also klar. Doch auch wenn die Demokratin bei den Wählerinnen am Ende mit zwölf Punkten Abstand deutlich vorne lag, konnte das den Umstand nicht ausgleichen, dass Trump bei den Männern noch besser abschnitt. Bitter für Clinton: Sie selbst wirkte auf männliche Wähler offenbar noch abschreckender als Trump auf weibliche.

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Ein ganz ähnliches Phänomen lässt sich bei der Gruppe der ethnischen Minderheiten beobachten. Auch deren Angehörigen ließen sich von den rassistischen Entgleisungen Trumps nicht notwendigerweise in Clintons Arme treiben. So stimmte fast ein Drittel der Latinos, obwohl von Trump im Wahlkampf pauschal als Vergewaltiger und Kriminelle verunglimpft, für den Milliardär. Zwar sammelte Clinton bei den Wählern asiatischer Herkunft ebenfalls rund zwei Drittel der Stimmen ein, bei den Schwarzen sogar fast 90 Prozent, trotzdem blieb sie damit zum Teil deutlich unter den Werten, die Obama noch 2012 in diesen Gruppen erzielen konnte.

Verloren hat Clinton auch bei den jungen Wählern, wo sie zwar 55 Prozent der Stimmen holen konnte, damit aber fünf Punkte gegenüber Obama einbüßte. Trump dagegen verdankt seinen Sieg vor allem den älteren Amerikanern, die in absoluten Zahlen die stärksten Wählerbataillone stellen. Ab einem Alter von 45 Jahren stimmte mehr als jeder Zweite für ihn. Außerdem lag der republikanische Kandidat bei allen Anhängern der christlichen Konfessionen zum Teil deutlich vorn; Clinton gelang dies nur bei der kleinen jüdischen Gemeinde sowie Amerikanern ohne religiöse Bindung. Und je eifriger die Kirchgänger, desto stärker tendierten sie zu Trump.

Sehr eindeutig fällt die Kluft im Wahlverhalten zwischen Stadt und Land aus. Satte 62 Prozent der Wähler aus Kleinstädten stimmten für Trump, während Clinton in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern mit 59 Prozent vorne liegt.

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Bei den wahlentscheidenden Themen stehen für Trump-Wähler die illegale Einwanderung (64 Prozent) und die Terrorgefahr (57 Prozent) ganz weit oben. 90 Prozent halten die Bilanz der Obama-Jahre für negativ, 78 sagen, dass sich ihre finanzielle Lage verschlechtert hat, und 84 Prozent glauben, dass Trump den dringend nötigen Wandel bringen kann. Clinton-Wähler halten dagegen mehrheitlich Außenpolitik und Wirtschaft für die entscheidenden Themen. Sie beurteilen zu 83 Prozent den Zustand der amerikanischen Ökonomie als exzellent, haben zu 72 Prozent ihre finanzielle Situation verbessert, und 59 Prozent von ihnen sind außerdem zuversichtlich für die Zukunft.

Es ist beinahe so, als ob die Anhänger der beiden Kandidaten nicht im selben Land lebten, so unterschiedlich ist ihre Wahrnehmung, so fern sind sich diese beiden Amerikas — das der Gewinner und das der Verlierer. Donald Trump ist es gelungen, große Teile der weißen Bevölkerung hinter sich zu versammeln, die zwar bis heute die Mehrheit stellt, aber wohl nicht mehr für lange. Viele dieser Amerikaner, zumeist biedere Mittelschichtbürger, weder wirklich arm, noch wirklich reich, fühlten sich traditionell als Rückgrat der Nation, bekamen zuletzt aber immer deutlicher den Eindruck vermittelt, in der schönen, neuen digitalisierten und globalisierten Welt könne man getrost auf sie verzichten. Eine Demütigung.

Weder das republikanische noch das demokratische Establishment hat sich in den vergangenen Jahren ernsthaft um das Schicksal dieser Menschen gekümmert. Trump ist zwar keiner von ihnen, aber er spricht ihre Sprache: Rücksichtslos direkt, manchmal bewusst verletzend. Damit galt er vielen Amerikanern glaubwürdiger als Clinton. Das machte den Unterschied.

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(beer)
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