Deutsche Bergsteiger Geheimdienste sehen Entführte in großer Gefahr

Berlin/München (RPO). Vertreter deutscher Geheimdienste sehen die im Osten der Türkei von Kämpfern der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gekidnappten drei deutschen Bergsteiger in großer Gefahr. Durch die Entführung könne die Bundesrepublik zum "Nebenschauplatz" des Kurdenkonflikts in der Türkei gemacht werden soll. Die PKK-Rebellen begründen die Entführung mit dem harten Vorgehen der Bundesregierung gegen ihre Anhänger.

Drei Deutsche in der Türkei entführt
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"Die PKK will mit aller Gewalt auf ihre Situation im Kampf gegen die Türken und ihre gewalttätigen Bemühungen um die Errichtung eines eigenständigen kurdischen Staates aufmerksam machen", erklärte der Sicherheitsexperte. Die PKK habe zu oft gezeigt, dass sie vor keiner Gewaltanwendung zurückschrecke, um ihre Ziele zu erreichen.

Zur Begründung ihres Vorgehens gegen die Deutschen sollen die PKK-Rebellen angegeben haben, es handle sich um eine Vergeltung, weil deutsche Behörden in letzter Zeit sehr hart gegen PKK-Anhänger in der Bundesrepublik vorgegangen seien. In diesem Sinn äußerte sich auch Mehmet Cetin, der Gouverneur der Provinz Agri, in der die Deutschen entführt wurden. Die PKK würde sie aber in den nächsten Tagen freilassen, erklärte Cetin.

Verbot eines kurdischen Senders

Hintergrund könnte ein Verbot des kurdischen Senders Roj TV im vergangenen Monat sein. Am 19. Juni hatte das Bundesinnenministerium jegliche organisatorische wirtschaftliche Unterstützung des in Dänemark ansässigen Senders verboten, wie ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur AP sagte.

Roj TV nahm am 1. März 2004 die Sendung auf. Nach Informationen deutscher Verfassungsschutzbehörden gehört der Sender zum Propagandaapparat der Organisation Volkskongress Kurdistan (Kongra Gel), die eine Nachfolgeorganisation der PKK ist. Roj TV kommt laut Bundesamt für Verfassungsschutz eine wichtige Rolle für die Agitation zu. Das Verbot in Deutschland richtete sich vornehmlich gegen eine Fernsehproduktionsgesellschaft in Wuppertal, die Beiträge für Roj TV produzierte.

"Politisches oder finanzielles Kapital schlagen"

Die PKK wird nach Einschätzung der Geheimdienste alles unternehmen, um aus der Entführung am Berg Ararat in der Osttürkei "politisches oder vielleicht auch finanzielles Kapital zu schlagen", meinte ein Geheimdienstmann. Die Rebellen könnten zum Beispiel verlangen, dass die gekidnappten Bergsteiger nur freikommen, wenn die Bundesregierung mit allem Nachdruck für die Belange und Anliegen der Kurden für ihren eigenen Staat eintritt. Das wäre für Berlin unmöglich zu erfüllen.

Bei den entführten Bergsteigern handelt es sich um drei 65, 47 und 33 Jahre alte Männer aus Ober- und Niederbayern. Sie wurden am Dienstagabend gegen 22.00 Uhr Ortszeit aus einem Basislager am Berg Ararat in etwa 3200 Meter Höhe entführt. Offenbar seien sie vermutlich von Anhängern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK ohne Waffengewalt "wahllos" aus einer 13-köpfigen Urlaubergruppe herausgegriffen worden, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch in München.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier sicherte am Mittwochabend zu, alles für die entführten drei Bergsteiger zu unternehmen. "Wir bemühen uns intensiv um die Aufklärung der Hintergründe. Natürlich unternehmen wir alles, um zu einer baldigen Freilassung zu kommen", erklärte er. Der Krisenstab im Auswärtigen Amt arbeite intensiv und stehe in Verbindung mit den Verantwortlichen in der Türkei.

Türkische Gemeinde in Deutschland lehnt Verhandlungen ab

Die Türkische Gemeinde in Deutschland lehnte Verhandlungen mit den Entführern der drei Deutschen in Ostanatolien für den Fall ab, dass die PKK dahinter steckt. "Das ist eine terroristische Organisation. Und mit Terroristen verhandelt man nicht", sagte der Vorsitzende Kenan Kolat. Auch eine direkte Kontaktaufnahme deutscher Behörden zu den Geiselnehmern komme nicht in Betracht. Dies sei Sache des türkischen Staates. "Ich bin in Gedanken bei diesen Menschen und hoffe, dass sie bald frei kommen", sagte Kolat. Jetzt seien die türkischen Sicherheitskräfte gefordert.

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) war 1978 als Revolutionsbewegung für einen eigenständigen kurdischen Staat von dem Separatistenführer Abdullah Öcalan gegründet worden. Anfang der 90er Jahre brachte sie ihren Terror auch nach Deutschland. Allein 1993 verübte die PKK rund 60 Brandanschläge auf türkische Banken, Reisebüros, Gaststätten und Vereinslokale.

Im selben Jahr verbot der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) die Organisation. Bis 1994 wurde die PKK in der deutschen Rechtsprechung als terroristische Vereinigung angesehen, seit dieser Zeit als kriminelle Vereinigung. Im Februar 1999 wurde Öcalan in der Türkei inhaftiert. Die PKK gilt in der Türkei nach wie vor als terroristische Organisation.

(afp)
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