Regierungskrise in Tunesien Alle RCD-Minister aus Partei ausgetreten

Tunis (RPO). In Tunesien sind alle Minister, die der Partei RCD des gestürzten Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali angehörten, aus der Partei ausgetreten. Das verlautete am Donnerstag aus offiziellen Kreisen. Übergangspräsident Foued Mebazaa hatte am Mittwoch in einer Fernsehansprache einen "völligen Bruch mit der Vergangenheit" versprochen.

Die Geschichte Tunesiens seit der Unabhängigkeit
Infos

Die Geschichte Tunesiens seit der Unabhängigkeit

Infos
Foto: AP

Außerdem hat die Übergangsregierung in Tunesien am Mittwoch nach eigenen Angaben alle politischen Häftlinge freigelassen. Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi habe ihm versichert, dass alle politischen Gefangenen aus der Haft entlassen worden seien, sagte Minister Mustapha Ben Jafar, der am Dienstag aus dem neuen Kabinett zurückgetreten war. Er hatte sich mit Ghannouchi getroffen, um über eine mögliche Rückkehr in die Regierung zu beraten. Unter den Freigelassenen befanden sich laut Ben Jafar wegen Terrorismus verurteilte Islamisten. Wie viele politische Häftlinge insgesamt aus der Haft entlassen wurden, war unklar.

Die amtliche Nachrichtenagentur TAP berichtete, die Regierung habe zudem 1800 nicht politische Häftlinge freigelassen, die allesamt weniger als sechs Monate eine Strafe hätten absitzen müssen.

Die neue Regierung ging auch dazu über, das Vermögen des bereits am Freitag nach Saudi Arabien geflüchteten Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali im Ausland aufzuspüren. Die Staatsanwaltschaft begann damit, Konten im Ausland und Immobilien zu untersuchen, die Ben Ali, seiner Frau, oder anderen Verwandten gehören. Fernsehberichten zufolge sind bislang rund 33 Familienangehörige Ben Alis beim Versuch, das Land zu verlassen, festgenommen worden. Auch Senatspräsident Abdallah Kallel, ein enger Verbündeter Ben Alis, sei in Gewahrsam genommen worden. Er und seine Frau hätten versucht, am Mittwoch nach Paris zu fliegen, berichtete das tunesische Fernsehen.

620 Millionen Euro in der Schweiz vermutet

Die Schweizer Behörden vermuten, dass Mitglieder der Regierung von Ben Ali insgesamt etwa 620 Millionen Dollar (460 Millionen Euro) auf Schweizer Konten liegen hätten. Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey kündigte am Mittwoch Bereitschaft an, etwaiges Vermögen von Ben Ali einzufrieren.

Aus französischen Regierungskreisen verlautete unterdessen, der Chef der tunesischen Zentralbank, Taoufik Baccar, sei zurückgetreten. Grund dafür seien Gerüchte, wonach die Frau Ben Alis, Leila Trabelsi, mit 1,5 Tonnen Gold aus Tunesien geflohen sei. Die Zentralbank hatte zuvor einen entsprechenden Bericht der französischen Zeitung "Le Monde" dementiert. Nejib Chebbi von der Demokratischen Fortschrittspartei (PDP), der einen Platz in der neuen tunesischen Regierung hat, sagte dem Fernsehsender BBC News, es werde Ermittlungen in dem Fall geben.

Die tunesische Nachrichtenagentur TAP berichtete, die tunesische Zentralbank habe die Kontrolle über die Banque Zitouna, die von Ben Alis Schwiegersohn gegründet wurde, übernommen. Zudem reichte der französische Ableger der Antikorruptionsorganisation Transparency International Klage gegen Ben Ali und seine Frau in Paris ein.

Weitere Proteste gegen alte Garde

Unterdessen beruhigte sich die Lage in der Hauptstadt Tunis am Mittwochabend. Hunderte Menschen hatten tagsüber gegen den Verbleib von Mitgliedern der ehemaligen Regierung in wichtigen Regierungspositionen demonstriert. Die Demonstranten forderten den Rücktritt von Mitgliedern der früheren Regierungspartei RCD. Später versammelten sich rund 30 Jugendliche zu einem nächtlichen Sitzstreik nahe des streng bewachten Innenministeriums.

Am Dienstag war die neue Übergangsregierung nur einen Tag nach ihrer Ernennung durch den Rücktritt von vier Ministern geschwächt worden. Bei allen vier handelte es sich um Gegner des gestürzten Machthabers, der das nordafrikanische Land 23 Jahre mit eiserner Faust regierte.

Die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Navi Pillay, kündigte an, sie werde in den kommenden Tagen ein Team schicken, um die Lage vor Ort zu untersuchen. Die UN schätzen, dass die Unruhen in Tunesien etwa 100 Todesopfer forderten.

(apd/Afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort