Kampf um Aleppo Einflussreiche Rebellengruppe lehnt Bedingung für Waffenruhe ab

Beirut · Nach schweren Kämpfen am Wochenende soll am Montagabend in Syrien eine Feuerpause beginnen. Doch eine einflussreiche Rebellengruppe, die Ahrar al-Scham, erklärte ihre Ablehnung der von Russland und den USA erzielten Vereinbarung.

Kampf um Aleppo vor der Waffenruhe
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Schwere Angriffe vor der Waffenruhe in Aleppo

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Foto: afp

Die islamistische Gruppierung Ahrar al-Scham ist die erste unter der Vielzahl von Rebellengruppen in Syrien, die mit ihrer Ablehnung eine definitive Entscheidung über die Vereinbarung zur Waffenruhe getroffen hat. Das wichtigste Oppositionsbündnis, das Hohe Verhandlungskomitee, hatte am Sonntag erklärt, die Vereinbarung werde noch geprüft.

Ahrar al-Scham begründete die Ablehnung damit, dass die Waffenruhe lediglich die Regierung in Damaskus stärken und das Leiden der Menschen erhöhen würde. "Das syrische Volk kann keine halben Lösungen akzeptieren", hieß es in einem von der Gruppe veröffentlichten Video. Die Vereinbarung trage "nur dazu bei, das Regime zu stärken und die Revolution militärisch einzukreisen".

Die Gruppierung nahm auch Anstoß an dem Passus, dass die Rebellen im Rahmen der Feuerpause ihre Zusammenarbeit mit den Dschihadisten der Fateh-al-Scham-Front beenden sollen. Deren Sprecher Mostafa Mohamed erklärte im Kurzbotschaftendienst Twitter, "alle Gespräche und Vereinbarungen, die nicht die Kämpfer vor Ort einbeziehen", seien "nutzlos".

Ein Anführer der islamistischen Ahrar al-Scham sagte der Nachrichtenagentur AP am Sonntag, seine Gruppe habe nicht die Absicht, sich völlig von Dschabhat Fatah al-Scham zu lösen. Beide Gruppen würden sich aber an die Waffenruhe halten, auch wenn sie öffentlich ihren Widerstand gegen die Vereinbarung kundtun würden, sagte er.

Andere islamistische Fraktionen, etwa die mit der Türkei verbündeten Gruppen, würden dem Abkommen hingegen auch öffentlich zustimmen, sagte der Ahrar-al-Scham-Kommandeur, der nicht beim Namen genannt werden wollte.

Ein anderer Kommandeur von Ahrar al-Scham, Ali al-Omar, kritisierte die geplante Waffenruhe indes als "Halblösung." Diese könne ein "rebellisches Volk, das sechs Jahre gekämpft und gelitten" habe, nicht akzeptieren, erklärte er in einer Videobotschaft. Seine Gruppe lehne es ab, andere Milizen "unserer gesegneten Fraktion zu attackieren." Die Rebellen rief er zudem auf, sich zu einer einzigen Front zu vereinigen.

Die Feuerpause soll am Montagabend mit Einbrechen der Dunkelheit in Kraft treten und zunächst für 48 Stunden gelten. Am Wochenende hatte es erneut schwere Kämpfe gegeben; bei Luftangriffen auf die umkämpften Städte Aleppo und Idlib waren Dutzende Menschen getötet worden.

In den vergangenen 40 Tagen wurden in der umkämpften Metropole fast 700 Zivilisten getötet. Am Samstag kamen bei mutmaßlich russischen und syrischen Luftangriffen auf Aleppo und Idlib mehr als 90 Zivilisten ums Leben, darunter 13 Kinder, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete.

Die syrische Führung in Damaskus hatte der Vereinbarung am Samstag zugestimmt. Gebilligt wurde sie auch vom Iran, einem wichtigen Verbündeten der syrischen Regierung. "Der Iran war schon immer für eine Waffenruhe in Syrien, um humanitäre Hilfe für die Menschen zu ermöglichen", sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi. Nur sollten alle Seiten darauf achten, dass die Waffenruhe nicht von der Terrormiliz IS ausgenutzt werde, um neue Kräfte zu rekrutieren und sich aufzurüsten.

Ghasemi forderte daher "einen umfassenden Kontrollmechanismus" insbesondere an Syriens Grenzen, "um den Nachschub an neuen Terroristen zu stoppen". Auch die libanesische Hisbollah-Miliz, die auf Seiten der Regierungstruppen in den Bürgerkrieg eingegriffen hatte, erklärte ihre Unterstützung.

US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow hatten sich am Freitagabend nach Marathonverhandlungen in Genf auf eine zunächst 48-stündige Waffenruhe für das Bürgerkriegsland verständigt. Ein vorheriger Waffenstillstand, den die Konfliktparteien am 27. Februar auf Vermittlung der USA und Russlands vereinbart hatten, war nie vollständig eingehalten worden und nach mehreren Monaten zerbrochen. Die Übereinkunft jetzt könne ein "Wendepunkt" im syrischen Bürgerkrieg sein, sagte Kerry.

Die Vereinbarung sieht vor, dass sich die syrischen Regierungstruppen rund um die umkämpfte Großstadt Aleppo zurückziehen und humanitären Helfern Zugang gewähren. Russland muss die Regierungstruppen davon überzeugen, die Rebellengebiete nicht länger zu bombardieren.

Im Gegenzug müssen die USA die mit ihnen verbündeten Rebellengruppen dazu bringen, nicht mehr mit der islamistischen Fateh-al-Scham-Front zu kooperieren. Hält die Waffenruhe eine Woche lang, wollen die USA und Russland ihren Kampf gegen Dschihadisten in Syrien koordinieren.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan will indes weiter gegen kurdische Milizen auch im Nachbarland Syrien vorgehen. Der syrische Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK - die Volksschutzeinheiten YPG - werde genauso wie die PKK beseitigt werden.

(rent/AFP/dpa/ap)
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