Abhängigkeiten und Streit Weihnachten als Familiendrama

Meinung | Düsseldorf · An Weihnachten kommt die Familie wieder zusammen. Das vermeindlich harmonische Fest wird jedoch oft von Streitigkeiten überschattet. Wie kann man sich auf das Fest vorbereiten, ohne unrealistische Erwartungen aufzubauen?

 Beim Weihnachtsfest sind Streitigkeiten innerhalb der Familie oft vorprogrammiert (Archivfoto).

Beim Weihnachtsfest sind Streitigkeiten innerhalb der Familie oft vorprogrammiert (Archivfoto).

Foto: Shutterstock/BearFotos

Mit Weihnachten verbindet sich eine unstillbare Sehnsucht nach harmonischem Frieden in der Familie. Die weihnachtlichen Friedenshoffnungen führen jedoch oft zu Wutausbrüchen, Tränen, Demütigungen. Mia wird gewisse Bemerkungen ihrer Mutter zum Anlass nehmen, sich schmollend auf ihr Zimmer zurückzuziehen. Ihre Mutter, die sich keiner Schuld bewusst ist, wird heulend mit der gefrorenen Gans in der Küche zurückbleiben. Wenn die Erwartung groß ist, genügt auch schon ein Blick, und alles erscheint in unheilvollem Licht. Der Vater hat dem Sohn zu dessen Freude das Geld für eine Eigentumswohnung geliehen. Aber beim weihnachtlichen Familienbesuch wird sich herausstellen, dass er sich damit auch selbst etwas gekauft zu haben glaubt: das Recht, weiterhin unerbetenen Rat zu erteilen. Die mürrische Verschlossenheit seines Sohnes wird ihn auf die Palme treiben. Spätestens am zweiten Weihnachtsmorgen dämmert den Verkaterten die Wahrheit: die eigene Familie besteht aus rücksichtslosen Rechthabern und Egozentrikern, arroganten Zicken und emotionalen Erpresserinnen. Und wie jedes Jahr stellt sich die Frage: Wieso können die Eltern nicht wie andere Menschen akzeptieren, dass man sein eigenes Leben führt? Warum sind die eigenen Kinder so undankbar für all das, was man für sie tut?

Die Preisfrage: Wie kann man sich auf das Fest vorbereiten, ohne unrealistische Erwartungen aufzubauen? Wie schafft man es, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollen? Wirklich religiöse Menschen schaffen das mitunter. Den anderen empfehle ich die alte Serie Gilmore Girls, die schonungslos vorführt: Menschen wollen nicht die Unabhängigkeit ihrer Liebsten, sondern ihre Abhängigkeit. Sie setzen dabei Zuckerbrot und Peitsche ein. Und sie rächen sich immer, wenn ihre Erwartungen enttäuscht werden. Die Serie bietet aber auch genügend Screwball-Spaß, Fantasie, Frechheit, Gemütlichkeit, Kitsch und Sentimentalität, um das gut zu ertragen. Und gemeinsam in der Familie darüber zu lachen.

Unsere Autorin ist Philosophie-Professorin an der Ruhr-Universität Bochum. Sie wechselt sich hier mit der Infektionsbiologin Gabriele Pradel ab.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort