Manfred Rekowski Ein Präses schwimmt sich frei

Düsseldorf · Seit zwei Jahren steht Manfred Rekowski an der Spitze der rheinischen Kirche - und setzt immer mehr auf eigene Akzente. Es fehlt noch ein Leitmotiv jenseits des Sparens.

Manfred Rekowski: Ein Präses schwimmt sich frei
Foto: Anne Orthen

Morgens um sieben in Wuppertal kann geistlicher Beistand nicht schaden. Manfred Rekowski hat daher auch schon im Schwimmbad eine Andacht gehalten. Der Präses der rheinischen Landeskirche ist häufiger Frühschwimmer im Gartenhallenbad Langerfeld. Eines Tages, hat Rekowski einmal erzählt, sei er dort gebeten worden, doch ein paar Worte zu sagen beim jährlichen "Lichterschwimmen", wenn Tausende Kerzen das Bad erhellen. Rekowski verknüpft mit der Episode die theologische Lehre, dass die Kirche eben auch auf unkonventionelle Art den Zugang zu den Menschen suchen müsse.

Morgen steht dieser Mann seit zwei Jahren an der Spitze der nach Mitgliedern zweitgrößten evangelischen Landeskirche. Und um im Bild zu bleiben: Allmählich, nach einer ziemlichen Konditionsleistung, schwimmt er sich frei.

Alles, was vom Privatmann Rekowski der breiteren Öffentlichkeit bekannt ist, ist um das Hallenbad herum schnell erzählt: außer dem Schwimmen selbst das gurkenförmige Elektroauto, in dem Rekowski durch seine Heimatstadt Wuppertal rollt, und dessen schwarzgelbe Lackierung, die so gut zu seiner sportlichen Liebe Borussia Dortmund passt. Verheiratet ist er mit einer Realschullehrerin, zwei erwachsene Kinder hat das Paar. Das war's auch schon. Ein sozusagen offensives Privatleben wie das seines Vorgängers Nikolaus Schneider? Undenkbar.

Rekowski ist nicht mehr nur Schneiders Nachfolger. Es schält sich ein eigenes Profil heraus. Das beginnt mit Rekowskis Auftreten als Sitzungsleiter der Landessynode. Schnell war klar, dass die Synodalen 2013 einen zu ihrem Präses gewählt hatten, der mit Beschlussvorlagen, Änderungswünschen und Geschäftsordnungsanträgen souverän bis virtuos umzugehen weiß - je komplizierter, desto besser. Rekowski ist auch in diesem Sinne, was Schneider nie war: ein Kirchenmanager und Machertyp, der sich höchst selten in den Verästelungen der Tagesordnung verfängt.

Der Präses hat außerdem dazugelernt. Der Einstieg im Sommer 2013 war denkbar schlecht: Rekowskis Leib- und Magenprojekt, der Sparprozess, mit dem er die Landeskirche zukunftsfest machen will, begann als Desaster. Kirchenmitglieder erfuhren aus der Zeitung von einem 35-Prozent-Sparziel bis 2018, verunsicherte Pfarrer wussten nicht, was sie ihrer Gemeinde sagen sollten. Rekowski hat sich dafür öffentlich entschuldigt.

Anderthalb Jahre später, Januar 2015, Tagung der Landessynode: Der Bonner Pfarrer Siegfried Eckert meldet sich zu Wort, ein scharfer Kritiker des Sparkurses. Ihm scheine der ganze Plan immer noch unausgewogen zu sein, weil vor allem bei Bildung und Jugendarbeit gespart werde, sagt Eckert, fügt aber sofort hinzu, die Synode habe "ein Meisterstück in Information und Kommunikation erlebt". In der Tat bringt Rekowski sein zweites Sparpaket ohne Gegenstimme durch - in der überaus basisdemokratischen rheinischen Kirche eine Art Wunder. Zu verdanken ist das auch einer Transparenz-Offensive: Der Präses hat die Kirchenleitung auf Tour durch die Gemeinden geschickt, er hat Petitionen diskutieren lassen, die Synodalen werden im Intranet über den Debattenstand informiert.

Rekowski hilft bei all dem ein anarchischer, teils subversiver Witz. Er scheut sich nicht, die Kirchenleitung mit einem Atommüll-Endlager zu vergleichen, beschwört ironisch "Motivation durch Frustration" und spottet über kirchliche "Reha-Maßnahmen". Humor könne helfen, Gehör zu finden, hat er einmal gesagt.

Auch inhaltlich setzt Rekowski inzwischen eigene Akzente. Zwei Jahre war man im Kirchenamt vor allem mit sich selbst, dem Geld und der Organisation beschäftigt; langsam scheint die politisch traditionell sehr aktive rheinische Kirche in ihre Rolle zurückzufinden. Deutlich wurde das jüngst in der "Pegida"-Debatte. Schneiders kompromisslose Kritik an deren "billigen Parolen" entsprang sozusagen kirchlichem Bauchgefühl, während Rekowski mit der selbstkritischen Bemerkung hervortrat, Fremdenfeindlichkeit sei auch ein kirchliches Phänomen.

Eine gewichtige Frage freilich hat der Präses bisher offengelassen: die nach dem theologischen Leitgedanken jenseits des Sparens. Was etwa sein Mantra bedeuten könnte, "Kirche mit leichterem Gepäck" zu werden, schien bisher höchstens in Ansätzen auf. Schneiders jovial-pastorales Charisma hat in der Kirchenspitze niemand mehr - noch eine Emanzipation von Vergangenem. Rekowski pflege stattdessen ein geradezu erotisches Verhältnis zu Excel-Tabellenwerken, heißt es.

Als zum Beispiel im Januar mehrere Synodale den Wunsch äußerten, angesichts der Verunsicherungen der Spardebatte eine Grundsatzdebatte über den Stellenwert kirchlicher Bildungsarbeit anzusetzen, reagierte Rekowski mit dem Verweis auf rechtliche "Bereinigungen" und "Gesetzesfolgeabschätzungen". Ein echter Manager eben.

(RP)
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