Ranga Yogeshwar besucht zerstörten Reaktor Fukushima — die gefährlichste Baustelle der Welt

Fukushima · Als erster ausländischer Dokumentarfilmer hat Ranga Yogeshwar die Erlaubnis bekommen, im Reaktor zu drehen.

Das undatierte Handout zeigt Ranga Yogeshwar (rechts) und sein WDR-Team im Unglücksreaktor in Fukushima Daiichi, beim Anlegen der Schutzausrüstung. Diese besteht unter anderem aus drei Paar Handschuhen übereinander.

Das undatierte Handout zeigt Ranga Yogeshwar (rechts) und sein WDR-Team im Unglücksreaktor in Fukushima Daiichi, beim Anlegen der Schutzausrüstung. Diese besteht unter anderem aus drei Paar Handschuhen übereinander.

Foto: dpa, fpt

Angst hatte Ranga Yogeshwar vor dieser Reise nicht. "Wenn ich Angst verspüren würde, dann wäre das ein Zeichen, dass ich mich nicht gut vorbereitet habe", sagt der Physiker. Doch das Gegenteil sei der Fall gewesen: Vor seinem Flug nach Fukushima besuchte der Wissenschaftsjournalist das Atomforschungszentrum in Jülich. Dort testete er die so genannten Dosimeter, mit denen sich die Strahlung messen lässt, auf ihre Genauigkeit. Abweichungen hätten sonst vor Ort gefährlich werden können. Dieses kleine Gerät hat Ranga Yogeshwar bei den Dreharbeiten auf der "gefährlichsten Baustelle der Welt", wie er Fukushima nennt, immer dabei gehabt.

Dreieinhalb Jahre nach der Dreifach-Katastrophe von Fukushima mit Erdbeben, Tsunami und Super-GAU hat Ranga Yogeshwar mit einem fünfköpfigen Team auf dem verstrahlten Kraftwerksgelände gedreht. Als erstes ausländisches Kamerateam habe man an den Unglücksreaktoren frei filmen dürfen und eigene Strahlenmessungen vorgenommen. Zudem besuchte Yogeshwar Menschen, die durch die Katastrophe ihre Heimat verloren haben, weil ihr Haus in der roten oder orangenen Zone liegt, sowie Arbeiter, die unermüdlich damit beschäftigt sind aufzuräumen.

Die Spuren der Verwüstung sind in der Reportage deutlich zu sehen, es werden aber auch die enormen Anstrengungen der Japaner gewürdigt: Es ist der Kampf gegen die Radioaktivität, die noch Jahrzehnte anhalten wird. 5000 bis 6000 Arbeiter seien in Zwei-Stunden-Schichten mit schwerem Gerät direkt in der AKW-Ruine Fukushima Daiichi im Einsatz. Andere Freiwillige machen in den Sperrzonen nahe der zerstörten Atomanlage im Nordosten Japans mit kleinen Stahlbürsten in der Hand sauber. "Diese Menschen tragen die oberste Bodenschicht in dem betroffenen Gebiet ab und füllen sie in schwarze Säcke", berichtet Yogeshwar. Diese Kunststoffbeutel seien überall an den Straßen. "Ich habe nachts von diesen Säcken geträumt", sagt Yogeshwar. Wohin man sie bringen will? An einen geheimen Ort - wo diese Deponie genau sein soll, ist unklar. "Das ganze Land kämpft um den Erhalt der Heimat, entweder die Region bleibt dauerhaft ein Sperrgebiet, oder man schafft es. Aber es ist ein langer Weg."

Japan ein halbes Jahr nach dem Tsunami
13 Bilder

Japan ein halbes Jahr nach dem Tsunami

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Es sei beeindruckend, mit welcher Gewissenhaftigkeit die Japaner nach der Katastrophe, bei der 19.000 Menschen ums Leben kamen, vorgehen. Er selbst habe Gemüse aus der betroffenen Region gegessen. "Es wird derzeit wohl nirgendwo so intensiv untersucht wie in Japan", sagt Yogeshwar überzeugt. "Sie testen alles, nicht nur bei Stichproben." Er habe sogar einen Honig mit nach Hause genommen, den seine Familie gekostet habe.

Das Team selbst hat sich beim Besuch in den begehbaren Blöcken des Atomkraftwerks abgesichert, so gut es ging: mit Schutzanzügen, drei Paar Handschuhen und Vollgesichtsmasken. "Es war wahnsinnig warm dort. Wir trugen deshalb unter den Anzügen Westen mit vier Kühlpacks", sagt Yogeshwar. "Der Anzug schützt nicht vor der umgebenden Strahlung." Er verhindere lediglich, dass man radioaktiven Staub einatme. Das Dosimeter habe ständig ausgeschlagen und Werte von bis zu 80 Millisievert angezeigt.

Am Abend nach dem Dreh wertete Yogeshwar die Daten des Tages aus: "Ich war sehr erleichtert, dass es uns gelungen ist, mit einer vertretbaren Dosis davonzukommen", betont er. In manchen Bereichen sei die Strahlung selbst für einen Roboter zu hoch.

(RP)
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