Die neuen TV-Regenten Joko und Klaas — darum sind sie so erfolgreich

Berlin · Zwei erfolgreiche Shows haben sie schon, nun spendiert ihnen ProSieben einen weiteren Platz in der Primetime. Klaas Heufer-Umlauf und Joachim "Joko" Winterscheidt sind auf dem besten Weg, Stefan Raab als König des Privatfernsehens zu beerben.

"Circus HalliGalli": Die ProSieben-Show mit Joko und Klaas
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Foto: ProSieben/Claudius Pflug

Der Mann sitzt in einem Kellerloch und sieht den langen blonden Schlaks, den Gastgeber dieser merkwürdigen Show, herablassend an. Es sieht so aus, als säße er schon länger da unten. Der Moderator plaudert ein bisschen mit ihm und bittet ihn zum Schluss, den Satz "Klaas-Heufer Umlauf ist eine kleine Wurst" zu sagen. Der Gast aus Übersee hat sichtliche Schwierigkeiten, aber er tut es. Dann verschwindet der Moderator wieder, er hat genug von dem Kellerloch.

Der Typ, den er da scheinbar zurückgelassen hat, ist zweifacher Oscar-Preisträger und einer der berühmtesten Schauspieler der Welt. Denzel Washington war Anfang Oktober in Deutschland, um seinen Film "The Equalizer" zu promoten, und er tat das in der ProSieben-Sendung "Circus Halligalli", moderiert von Joko Winterscheidt (35) und Klaas Heufer-Umlauf (31).

Die bizarren Aktionen von Joko und Klaas
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Die bizarren Aktionen von Joko und Klaas

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Foto: twitter.com/WildChildVici

Er wurde nicht mit Musik und Applaus empfangen, sondern harrte in diesem verliesähnlichen Verschlag aus, um gerade mal fünf Minuten über seinen Film zu sprechen. Das heißt, eigentlich spielte er den Charakter aus seinem Film, also einen Mann, der andere Leute um die Ecke bringt, und der Running Gag im Gespräch mit Joko Winterscheidt war der, dass Washington ihn als nächstes erledigen würde. Zum Schluss wurde er noch Opfer der urdeutschen Unart hiesiger Show-Nasen, internationalen Gäste deutsche Worte abzuringen, und Washington holperte so herrlich unbeholfen durch diesen Satz, dass es eine Freude war.

Keine Ehrfurcht vor Weltstars

Eigentlich ist es ungeheuerlich, so mit einem der begnadetsten Schauspieler unserer Zeit umzugehen, aber der Amerikaner hatte sichtlich Spaß an dem Kindergarten. Etwa anders war das vor knapp zwei Jahren, als er bei einem gewissen Markus Lanz auf einer cremefarbenen Couch saß und der Moderator ihn unentwegt mit Komplimenten zuschleimte. Washington ließ es professionell lächelnd über sich ergehen, und hinterher sagte er, die Show sei furchtbar altmodisch, aber irgendwie auch "rührend" gewesen.

"Rührend". Es sind Attribute wie diese, die wohl den schleichenden Tod der einstigen Giganten-Show "Wetten, dass..?" besiegelt haben, und es ist ein nett verpackter Schlag ins Gesicht. Gewollt, aber nicht gekonnt, vor Ehrfurcht erstarrt, statt sich selbstbewusst mit dem berühmten Gast auseinanderzusetzen, der nicht aus purer Gnade kommt, sondern, weil er etwas verkaufen will. Vielleicht lässt sich am Umgang mit Stars wie Denzel Washington der Erfolg des Rotzlöffel-Duos "Joko und Klaas" erklären. Sie tun, worauf sie Lust haben, sie haben nur den nächsten Gag im Kopf, und sie sehen überhaupt keinen Grund, von dieser Linie abzuweichen, nur weil ein Weltstar vor ihnen sitzt.

Grimme-Preis für Joko und Klaas
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Foto: Claudius Pflug/Pro Sieben

Der gelernte Friseur Klaas Heufer-Umlauf und sein Kollege Joachim "Joko" Winterscheidt, der eine Ausbildung zum Werbekaufmann abbrach, bevor er bei einer TV-Produktionsfirma anheuerte, sind die derzeit größten Stars im deutschen Unterhaltungsfernsehen. Ihre gemeinsame Karriere begann 2009 bei MTV, wo sie eine Show irgendwo zwischen Comedy und Popkultur-Fernsehen namens "MTV Home" moderierten, und sie ging von da an kontinuierlich aufwärts. Die Beiden wechselten zum Digitalsender ZDFneo, nahmen ihre Show mit und nannten sie nun "NeoParadise", und 2013 unterschrieben sie einen Exklusiv-Vertrag mit ProSieben.

Mischung aus kindlichem Ehrgeiz und Selbstironie

Dort läuft ihre Show unter dem Titel "Circus Halligalli" montags ab 22.15 Uhr, doch sie ist inzwischen nur eine Art Basis-Schiff. Die Gags, die sie für diese Sendung im Lauf der Jahre entwickelt haben, nehmen sie als Grundlage für große Samstagabend-Shows. Ihre erste, "Joko und Klaas — Das Duell um die Welt", treibt den ewigen, spätpubertären Wettkampf der Beiden auf die Spitze. Haben sie sich bei "NeoParadise" noch gegenseitig genötigt, in einem Spiel namens "Baking Fat" frittierte Gummibärchen zu essen, zwingen sie sich nun, sich den Mund zu nähen zu lassen oder rückwärts an einem Bungee-Seil hunderte Meter in die Tiefe zu springen, weil sie eine Quizfrage falsch beantwortet haben.

Die Show, die seit 2012 läuft und beide rund um den Globus zu speziellen "Aufgabe" führt, testet ohne Frage die Grenzen des guten Geschmacks aus, doch sie ist extrem unterhaltsam. Das liegt nicht nur daran, dass Joko und Klaas niemanden vorführen außer sich selbst, sondern auch an ihrer ganz eigenen Mischung aus kindlichem Ehrgeiz und Selbstironie. Ja, beide wollen jedes noch so alberne Spiel unbedingt gewinnen und den anderen leiden sehen, doch sie strahlen gleichzeitig eine lässige Distanz zu ihrem Gaga-Fernsehen aus. Als Klaas Heufer-Umlauf, der Gewinner der letzten Ausgabe, zu Beginn der Show am vergangenen Samstag in seiner "Weltmeister"-Uniform zum Studio fährt, sich selbst feiert und Sätze sagt wie "It's lonely at the top", sitzt er in einem schäbigen Linienbus.

Joko und Klaas gewinnen die "Goldene Rose"
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Die Gewinner der "Goldenen Rose"

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Auch in ihren diversen Rubriken in "Circus Halligalli" geht es vor allem darum, sich selbst im Dienste der Unterhaltung zum Idioten zu machen. Bei "Bitte ein Beat" müssen sie ihre Fragen an die Gäste rappen, im "ungewöhnlich abwechslungsreichen Interview" müssen sie sie in vorgegebenen Emotionen vortragen, von rasend wütend bis verliebt. Das gilt natürlich auch für die antwortenden Gäste, was mehr über deren Spontaneität, Humor und Charakterfärbung verrät als jede "Wie-fühlt-sich-das-an"-Frage von Markus Lanz.

Im Musikfernsehen sozialisierte Profis

Inzwischen haben die Agenten der internationalen Stars mitbekommen, dass die Show nicht nur sehr viele Zuschauer in der jungen Zielgruppe hat, sondern auch, dass sie dort weder hofiert noch gelangweilt werden. Sie müssen sich auch nicht mit einem selbstsüchtigen, schlecht Englisch sprechenden Mann namens Stefan Raab auseinandersetzen, sondern treffen in Joko und Klaas auf zwei im Musikfernsehen sozialisierte Profis, die sich tatsächlich auf ihre Gäste vorbereiten, und sei es mit einer "Keller"-Show wie im Fall Washington.

Nun wird aus einer weiteren Rubrik eine weitere Primetime-Show. Am 6. Dezember strahlt ProSieben um 20.15 Uhr die erste Folge von "Mein bester Feind" aus. Das Konzept: Ein junger Mann meldet seinen Kumpel bei der Show an und verrät Joko und Klaas dessen größten Alptraum. Genau den muss dieser dann durchleben, und nur wenn er durchhält, gibt es eine Belohnung. Allerdings für den Auftraggeber, nicht für das Opfer. Falls die Quoten passen, dürfte auch diese Show in Serie gehen.

Noch hat ProSieben einen heimlichen Chef, der dem Sender jedes Jahr im Alleingang die Bilanz rettet und die wichtigen Sendeplätze mit diversen Shows füllt: Stefan Raab (48). Doch auch wenn "Schlag den Raab" ohne Zweifel auch nach acht Jahren noch nichts von seinem Reiz und seiner Originalität verloren hat, so schwächelt der Altmeister doch in anderen Bereichen merklich. Seine tägliche Show "TV Total" rattert er inzwischen derart uninspiriert und gelangweilt herunter, dass man sich wundert, warum er sich den Stress überhaupt noch antut. Die großen Stars, die früher mal da waren, sind längst bei "Circus Halligalli".

Blöd gelaufen für das ZDF

Auch Shows wie die "Wok-WM" oder der "Bundesvision Song Contest" kämpfen seit Jahren mit bröckelnden Quoten. Raab, seit mehr als 20 Jahren im Geschäft, wird nicht ewig den alleinigen Heilsbringer für ProSieben spielen können. Um so schöner für den Sender (und blöder für das ZDF, dass sich nicht dazu durchringen konnte, "Joko und Klaas" ins Hauptprogramm zu holen), dass es zwei Talente dieses Kalibers in seinen Reihen weiß.

Joko und Klaas, die beide mit lukrativen Werbe-Deals und Moderations-Jobs für Galas wie dem Deutschen Fernsehpreis (Heufer-Umlauf) oder die GQ-Awards (Winterscheidt) noch kräftig dazu verdienen und ihre Präsenz steigern, sind die neuen TV-Regenten der Unterhaltungsbranche. Die jungen Väter und Wahl-Berliner haben zudem jeden wichtigen Preis im Schrank stehen, vom Deutschen Fernseh- und Comedypreis über den Echo und die international renommierte Goldene Rose (Rose d'Or) bis hin zum Grimme-Preis. Dessen Jury schrieb: "Zumindest im Programm der großen Sender ist weit und breit niemand in Sicht, der ihnen das Wasser reichen kann."

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