Dortmund Polizeigewerkschaft kritisiert "Tatort"

Dortmund · Unglaubwürdig und peinlich nennt der designierte GdP-Chef Arnold Plickert den Dortmunder Ermittler.

Feierlich begrüßte der Dortmunder Polizeipräsident Norbert Wesseler im März das neue "Tatort"-Team in der Ruhrgebietsmetropole: "Ich wünsche mir, dass in diesem ,Tatort' die polizeiliche Arbeit im Ruhrgebiet mit dem entsprechenden sprachlichen und besonders liebenswerten Lokalkolorit Dortmunds dargestellt wird", sagte er und überreichte den vier Ermittlern Jörg Hartmann, Anna Schudt, Stefan Konarske und Aylin Tezel symbolisch ihre Dienstmarken. Die Dortmunder Polizei freue sich sehr, thematischer Mittelpunkt dieses "Aushängeschildes des WDR" und "klassischen Krimiformats" zu sein.

Nach der Ausstrahlung der ersten beiden Folgen "Alter Ego" und "Mein Revier" aus Dortmund weiß der Zuschauer: Der neue "Tatort" ist alles – aber nicht klassisch. Anfangs hatte Kommissar Peter Faber (gespielt von Hartmann) noch den Ruf, etwas schrullig zu sein und einen trockenen Humor zu haben. Seit dem zweiten Fall am vergangenen Sonntag aber ist klar: Faber ist völlig durchgeknallt, er ist gewalttätig, und hegt Selbstmordgedanken.

Das Profil des neuen Kommissars und seine ständigen Grenzüberschreitungen beschäftigen inzwischen auch die echte Polizei. Arnold Plickert, der designierte Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ist der festen Überzeugung: Dieser TV-Ermittler schadet seinem Berufsstand. Er sei peinlich und unglaubwürdig. "Wenn sich ein Polizist so verhält, würde er im echten Leben sofort aus dem Verkehr gezogen." Wahrscheinlich würde so jemand nicht einmal den Eignungstest bestehen. "Wer so massive Probleme hat, braucht psychologische Hilfe und keine Dienstwaffe." Plickert sieht die Verantwortung beim Sender: "Der WDR muss handeln und Faber aus der Serie nehmen oder aber die Rolle überdenken und ihn zur Therapie schicken."

Der WDR teilte gestern mit, dass keine Veränderungen geplant seien und die Vorbereitung für zwei weitere Folgen im kommenden Jahr laufen. "Wir werden die kantige Figur des Kriminalhauptkommissars Faber weiter entwickeln", erklärte Gebhard Henke, Leiter des WDR-Programmbereichs Fernsehfilm, Kino und Serie. "Ich bin sicher, dass sowohl die Gewerkschaft der Polizei als auch die Zuschauer zwischen einem fiktionalen Krimi und der Realität unterscheiden können."

Das sieht auch der Dortmunder Polizeipräsident so: "Einzelne Personen dürfen oder müssen vielleicht sogar überzeichnet sein. Dass sie nicht – immer – reale Polizeiarbeit darstellen, dürfte jedem eingängig sein." Das hatte sich bei der Präsentation der ersten Folge in Dortmund noch anders angehört. Damals sagte Wesseler: "Das ist schon wichtig, dass so ein Krimi nicht an der Realität vorbeigeht."

Dem Sender sei offenbar daran gelegen, mit "Effekthascherei" das Publikum anzusprechen, meint Plickert. Der Unterschied zwischen einem Ganoven und einem Polizisten sei nicht mehr klar: Eine Kommissarin, die sich mit Callboys trifft, ein Streifenpolizist, der illegale Waffen besitzt, statt den Handel damit zu unterbinden. Wesseler sieht das eher von der komischen Seite: "Faber ist (...) mit seinen Methoden durchaus erfolgreich und löst den Fall in 90 Minuten. Das ist vom Ergebnis her nicht schlecht."

Die Idee der Autoren war es wohl, einen ähnlich skurrilen Charakter wie den genialen, aber durchgedrehten Psychologen Dr. House (Hugh Laurie) aus der gleichnamigen Serie zu erfinden. Doch was in den USA funktioniert, das klappt (bisher) bei Faber nicht. Innerhalb des Films fehlt jegliche moralische Infragestellung. Somit gelingt es auch nicht, an das Schimanski-Erbe anzuknüpfen. Schimi hielt sich zwar auch nicht an Hierarchien, aber er hätte keine Straftaten begangen.

(RP)
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