Bundesweiter Flickenteppich Experten streiten über Rechtschreib-Methoden

Düsseldorf · In Deutschland ist ein Streit über die beste Rechtschreib-Lernmethoden entbrannt. Lernen nach Fibel oder Schreiben nach Gehör? Eine Studie bricht eine Lanze für erstere Methode. Aber was steckt eigentlich hinter diesen Begrifflichkeiten und wie halten es die Schulen in NRW?

 Rechtschreibübungen eines Grundschülers.

Rechtschreibübungen eines Grundschülers.

Foto: dpa/Bernd Settnik

Auslöser für den Expertenstreit ist eine Studie, in der die klassische Fibel-Methode für Grundschüler deutlich besser abgeschnitten hat als Ansätze wie „Lesen durch Schreiben“. Die Frage sei nun, ob man Grundschulen noch gestatten könne, nach den Verfahren zu unterrichten, die in der Untersuchung sehr schlecht abgeschnitten hatten. Das sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL), Hans-Peter Meidinger. „Die Bonner Studie gibt klar Hinweise, dass Schreiben nach Gehör nicht zu der angestrebten Rechtschreibkompetenz der Schüler führt.“

Und so unterscheiden sich die Methoden voneinander: Nach der sogenannten Fibel-Methode werden Buchstaben und Wörter schrittweise und nach festen Vorgaben eingeführt, systematisch aufgebaut vom Einfachen zum Komplexen. Die untersuchten Lernerfolge von gut 3000 Grundschulkindern in NRW waren deutlich höher als bei dem Ansatz „Lesen durch Schreiben“ (LDS), auch als „Schreiben nach Gehör“ bezeichnet. Der LDS-Grundgedanke: Schüler sollen möglichst viel frei schreiben und das Lesen darüber mitlernen. Bei dieser Methode schreiben die Kinder erst einmal so, wie sie es „hören“, also „Kint“ statt Kind und „Mutta“ statt Mutter.

Welche Methode wo unterrichtet wird, ist nicht einheitlich geregelt. Ein Blick in die Bundesländer, die für Schulfragen zuständig sind, zeigt einen Flickenteppich.

  • In NRW gibt es keine zentral vorgeschriebene Methode. Aber: „Lesen durch Schreiben“ soll demnächst noch in der ersten Klasse angewendet werden.
  • Rheinland-Pfalz setzt auf einen Methodenmix.
  • Hamburg gehört zu den Ländern, die die LDS-Methode bereits für unzulässig erklärt haben.
  • In Schleswig-Holstein darf seit Beginn dieses Schuljahres auch nicht mehr danach unterrichtet werden.
  • Aus Berlin heißt es, LDS in „Reinform“ gebe der Rahmenlehrplan nicht her.
  • Baden-Württemberg hält ebenfalls nichts von LDS, spricht von einem „seit langem wissenschaftlich hoch umstrittenen“ Ansatz.
  • In Bayern kommt die Methode nicht zum Einsatz.
  • Auch im Saarland kommt LDS nicht in „Reinform“ vor.
  • In Thüringen werden Grundschüler überwiegend nach der Fibel-Methode unterrichtet.
  • In Sachsen lernen Kinder vor allem mit der Fibel, die Grundschulen sind aber frei in ihrer Wahl.
  • Sachsen-Anhalt legt die Entscheidung ebenfalls in die Hände der Lehrkräfte.
  • In Mecklenburg-Vorpommern nutzen 86 Prozent die Fibel und nur zwei Prozent ausschließlich LDS.
  • Brandenburg sagt, man habe aktuell keinen Überblick.
  • Auch in Niedersachsen lägen keine landesweiten Erkenntnisse darüber vor, welche Schulen nach welchen Methoden arbeiteten. Das entschieden die Schulen selbst.

Die Studie hat eine breite Debatte ausgelöst. Die Aussage, dass die „Fibel“ zu einer besseren Rechtschreibung führe, ist dem Grundschulverband viel zu pauschal. „Eine solche Allgemeinaussage ist nach dem aktuellen Forschungsstand nicht möglich und höchst irreführend“, kritisierte der Verband.

Medidinger vom DL hält dagegen: Es gebe keinen Grund zur Vermutung, dass die Studie unwissenschaftlich sei, die Ergebnisse sollten ernst genommen werden. „Lehrkräfte brauchen großen pädagogischen Freiraum bei der Wahl der Methoden. Die Grenze ist aber erreicht, wenn das Lernziel nicht geschafft wird.“

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE), warf ihm wiederum vor, die Arbeit vieler Grundschullehrkräfte zu diskreditieren. Viele Lehrer arbeiteten erfolgreich mit einen Ansatz, der das LDS-Konzept mit einbaue. „Jede einzelne Schule sollte die Entscheidung treffen, auf welche Weise sie den Kindern in den ersten Schuljahren das Lesen und Schreiben vermittelt“, forderte der VBE-Chef.

Das früher lange gängige Fibel-Lernen war mancherorts vor allem vom „Lesen durch Schreiben“ nahezu verdrängt worden.

(dpa/jeku)
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