Nach neuen Todesfällen Experte warnt vor Schweinegrippe-Panik

Halle (RPO). Nach den neuen Schweinegrippe-Todesfällen in Deutschland warnt der Virologe Alexander Kekulé vor Panikmache. In sehr seltenen Fällen rufe die Schweinegrippe eine direkte Lungenentzündung hervor. "Das Virus kann ganz unmittelbar die tiefen Atemwege befallen und wirkt dann tödlich." Experten rechnen mit einem Anstieg der Erkrankungsfälle in den kommenden Wochen.

Schweinegrippe-Impfaktion: Fragen und Antworten
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Schweinegrippe-Impfaktion: Fragen und Antworten

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Foto: AP

Man wisse seit langem, dass auch Menschen ohne Vorerkrankungen durch die Schweinegrippe sterben könnten, sagte Kekulé am Samstag auf MDR Info. Er rechnet damit, dass die Infektionszahlen in den kommenden Wochen weiter steigen, da jede Grippe im Winter Hochsaison habe. "Unser Immunsystem ist schlechter, die Atemwege sind trocken. Deshalb können sich Viren dort besser ansiedeln." Man werde im Winter auch zunehmend schwerere Fälle sehen.

Am Freitag waren mindestens zwei weitere Schweinegrippe-Patienten gestorben, darunter erstmals auch eine Frau ohne bekannte Vorerkrankungen, zudem ein fünfjähriges Kind. Die "Augsburger Allgemeine" berichtete außerdem, in Augsburg sei ein 16-jähriger schwerbehinderter Schweinegrippe-Patient gestorben. Dieser Fall wurde zunächst aber offiziell nicht bestätigt.

Bei der 48-jährigen Patientin, die am Freitag in der Bonner Uni-Klinik starb, wurden bisher keine Vorerkrankungen festgestellt, die den schweren Krankheitsverlauf erklären würden. Exner sagte, der Fall zeige, dass eine Infektion auch ohne Vorerkrankungen ernst verlaufen könne. Möglicherweise beginne jetzt eine zweite Welle der Epidemie. Wichtig sei nun, die Hygieneregeln einzuhalten und über eine Impfung nachzudenken.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) erklärte, mit der sich abzeichnenden zunehmenden Ausbreitung der Schweinegrippe werde auch die Zahl von Fällen mit schwerem Verlauf zunehmen. Auch das RKI verwies auf die Wichtigkeit von Hygienemaßnahmen und Impfungen zur Prävention.

Kekulé riet zur Impfung. Die Nebenwirkungen seien ärgerlich, müssten aber in Kauf genommen werden. "Der Impfstoff ist leider nicht optimal", räumte er ein. "Wir haben aber nur diesen Einen im Moment." Die Schweinegrippe selbst sei auf jeden Fall schlimmer als die Nebenwirkungen der Impfung.

Deutsche sind impfkritisch

Am Montag war die Massenimpfung gegen die Schweinegrippe gestartet. Umfragen zufolge will sich ein Großteil der Bevölkerung bisher nicht impfen lassen. Die Stimmung kann aber nach Einschätzung Michael Pfleiderers vom Paul-Ehrlich-Institut über Nacht umschlagen, "sobald wie jetzt in den USA die Zahl der Schwerkranken steigt und die Krankenhausbetten knapp werden".

Es habe ihn überrascht, dass die Stimmung "im impfkritischen Deutschland selbst bei den Ärzten derartig" gekippt sei, sagte Pfleiderer der "Wirtschaftswoche". Sachlich gebe es überhaupt keinen Grund für Vorbehalte - die kritisierten Wirkungsverstärker seien längst erprobt und in herkömmlichen Grippe-Impfstoffen schon millionenfach gespritzt worden. Es werde "unglaublicher Blödsinn als Wahrheit" verkauft.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler sieht in der normalen Herbstgrippe derzeit noch ein höheres Gesundheitsrisiko als in der Schweinegrippe. Der FDP-Politiker will sich laut "Bild am Sonntag" zuerst gegen die normale Grippe impfen lassen, danach gegen die Schweinegrippe. Jeder Bürger solle mit seinem Arzt besprechen, ob er sich gegen die Schweinegrippe impfen lassen wolle, die normale Grippeimpfung solle man dabei keinesfalls vergessen, sagte Rösler.

Studie mahnt zu Vernunft

Eine neue Studie warnt davor, Erkrankungen nach einer Schweinegrippe-Impfung zwangsläufig als Nebenwirkung der Immunisierung zu betrachten. "Jeden Tag sterben Menschen aus verschiedenen Gründen," erklärte Steven Black, einer der Autoren. Wenn es aber Massenimpfungen gebe, verliere man dies aus dem Blick. "Wir sagen nicht, dass wir uns nicht um die Impfsicherheit kümmern sollen, wir sollten dabei aber vernünftig sein."

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO gibt es weltweit bisher mehr als 440.000 bestätige Schweinegrippeerkrankungen und mehr als 5.700 Todesfälle.

(AP/ddp/ndi)
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