Stadt Willich Willich erinnert an jüdische Mitbürger

Stadt Willich · Tief bewegt fuhren gestern die Nachfahren jüdischer Willicher Familien, deren Angehörige in der NS-Zeit ermordet wurden, in ihre Heimatländer zurück. Die Stadt, Schüler und Schützen erinnerten an die früheren jüdischen Mitbürger.

 Peter Lion (M.), Fremdenführer im Buckingham Palace in London und Nachfahre der jüdischen Willicher Familie Lion, erkennt auf der Gedenktafel am Schützenplatz in Willich, die Peter Wynands (l.) initiierte, seine Vorfahren, denen der Schützenplatz einst gehörte und als Viehweide diente.

Peter Lion (M.), Fremdenführer im Buckingham Palace in London und Nachfahre der jüdischen Willicher Familie Lion, erkennt auf der Gedenktafel am Schützenplatz in Willich, die Peter Wynands (l.) initiierte, seine Vorfahren, denen der Schützenplatz einst gehörte und als Viehweide diente.

Foto: Wolfgang Kaiser

Kleine Mahnmale, die an die Deportation und Ermordung vieler in Willich wohnhafter Juden während der NS-Zeit erinnern, wurden am Wochenende unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, der jüdischen Gemeinden und von Angehörigen der früheren jüdischen Mitbürger in der Stadt aufgestellt. An den früheren Wohnorten der Juden in Willich, Schiefbahn und Anrath legte Günter Demnig 18 weitere Stolpersteine. Zwei Straßen wurden umbenannt, und von den Grenadier-Schützen wurde eine Gedenktafel am Eingang des Alt-Willicher Schützenplatzes enthüllt.

Angehörige der Familien der früheren Händler und Kaufleute Max Servos, Albert Rübsteck, David Wallach, Abraham und Hermann Lion waren aus aller Welt gekommen und nahmen sichtlich bewegt an den Ereignissen teil. "Es ist eine große Ehre für meine Familie, dass es in Willich auch viele junge Menschen gibt, die die Erinnerung an diese schreckliche Zeit wachhalten", sagte Jonathan Rogers (62), ein Angehöriger der Familie Lion, die gleich mit 14 Mitgliedern aus den USA, England und sogar Australien, gekommen waren. Einige hatten schon Tränen in den Augen, als sie sich das Mahnmal gegen das Vergessen am Schiefbahner St. Bernhard Gymnasium anschauten. Dort hatten einst Schüler auch die Idee der Verlegung der Stolpersteine gehabt.

Einige Schüler, auch von der "Zeitzeugen-AG" des Anrather Lise-Meitner-Gymnasiums, waren gestern dabei, als der Kölner Bildhauer Gunter Demnig die insgesamt 18 Stolpersteine in die Bürgersteige vor den früheren Wohnorten der Deportierten und Ermordeten setzte. Die Schüler erinnerten in Kurz-Biografien an die früheren Bewohner.

Einiges los war auch gestern auf dem Willicher Schützenplatz, der einst dem Viehhändler und Metzger Abraham Lion gehörte. Er kaufte 1910 die Viehweide, auf der dann erstmals 1927 das Schützenzelt aufgestellt wurde. Und als Peter Wynands an einer Chronik über den 2013 seit 60 Jahren bestehenden 2. Grenadierzug arbeitete, erfuhr er von den Morden vieler Lions in den Konzentrationslagern. Die Idee einer Gedenktafel hatte die Frau eines Schützenkameraden, Ulrike Kösters, gehabt. Gestern war es soweit: Peter Wynands enthüllte im Beisein vieler Schützen und Feuerwehrmänner diese Tafel, die an den damals sehr beliebten Viehhändler Abraham Lion erinnert.

Für das Treffen der insgesamt mehr als 20 Angehörigen — unter anderem kamen Nachkommen der Rübstecks aus Israel und den Niederlanden und Mitglieder der Servos-Familie aus Schweden — hatten in erster Linie Studiendirektor Bernd-Dieter Röhrscheid und Stadt-Archivar Udo Holzenthal gesorgt. Wegen des Schnees kam es zu einigen Verzögerungen: Röhrscheid wartete Röhrscheid fünf Stunden am Düsseldorfer Flughafen auf Carol Lion, oder da musste in der Nacht Holzenthal zum Köln-Bonner-Flughafen, um Alan Buxton und Alan Lion abzuholen.

Gestern wurden die Angehörigen im Neersener Schloss empfangen. Zuvor waren bereits in Bereich der Kleinen Frehn in Schiefbahn zwei Straßen nach den jüdischen Schiefbahner Familien Kaufmann und Rübsteck benannt worden. Und bei einem ersten Treffen im evangelischen Gemeindehaus in Alt-Willich meinte der 67-jährige aus Manchester kommende Joan Chantrell aus der Lion-Familie mit Blick auf das Erinnern an die ermorderten Willicher Juden: "Was hier passiert, werden wir nicht mehr vergessen."

(wsc)
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