Tönisvorst Die Angst vor dem Ruhestand des Mannes

Tönisvorst · Nora von Collande und Herbert Hermann glänzten im turbulenten Zwei-Personen-Stück "Anderthalb Stunden zu spät" um den Ehealltag und Beziehungsprobleme. Die Inszenierung der "Komödie am Kurfürstendamm" kam nach St. Tönis.

 In der Komödie wird gezeigt, wie es ein Ehepaar schafft, in eineinhalb Stunden ein Resümee ihrer Ehe zu ziehen. Nora von Collande und Herbert Herrmann kamen auf Einladung des Stadtkulturringes nach Tönisvorst.

In der Komödie wird gezeigt, wie es ein Ehepaar schafft, in eineinhalb Stunden ein Resümee ihrer Ehe zu ziehen. Nora von Collande und Herbert Herrmann kamen auf Einladung des Stadtkulturringes nach Tönisvorst.

Foto: Thomas Grünholz

So ein richtig schöner entspannter Theaterabend wird es dann, wenn eine Komödie zwar leicht, dabei aber nicht zu seicht ist und die Darsteller auf der Bühne versierte Akteure mit hoher Bühnenpräsenz sind. Dies alles kam beim Theaterabend des Stadtkulturbundes am Samstagabend im Forum Corneliusfeld zusammen. "Anderthalb Stunden zu spät", das ist der Titel einer spritzigen und turbulenten Komödie für zwei Personen des Franzosen Gérald Sibeyras in Zusammenarbeit mit Jean Dell.

In diesem Stück kommen Laurence und Pierre anderthalb Stunden zu spät zu einem Essen mit Freunden. Laurence wird mal wieder mit dem Fertigwerden nicht rechtzeitig fertig. Sie will plötzlich gar nicht mehr zu dem Termin gehen, stürzt dabei in eine tiefe Sinnkrise und möchte sich mit ihrem Ehemann lieber endlich mal über Familien-, Kinder- und Beziehungsprobleme und den drohenden Ruhestand des Partners auseinandersetzen. In dem zweistündigen Ehedialog kommen endlich die verdrängten Wahrheiten zutage. Die vor zehn Jahren aufgetischte Beichte über einen angeblichen Fehltritt von Laurence, den Pierre ihr gnädig verziehen hatte, um die Ehe zu retten, erweist sich als Täuschung, mit der Laurence ihren Mann dazu bringen wollte, ihr mehr Beachtung zu schenken. Der sieht sich in seiner Funktion als Retter der Familie belogen und muss die Lüge erst einmal verkraften, obwohl er sich doch eigentlich über den Nicht-Seitensprung freuen müsste.

Laurence bedauert in dem immer wieder lustigen, aber auch nachdenklich stimmenden Dialog, dass sie sich all die Jahre in ihrer Ehe auf die Rolle als Mutter und Ehefrau beschränkt hat. Sie möchte freier sein, sich als Malerin verwirklichen. Vor allem aber hadert sie mit ihrem Alter. Nun da sie Großmutter geworden ist ("viel zu früh!") sieht sie sich mit 47 Jahren schon "im Endspurt zum Tod" und fürchtet Probleme mit Pierre, wenn der Steueranwalt im Ruhestand sein wird: "Wirst Du, wenn Du in Rente bist, dann immer hier sein?"

Beide bringen plötzlich ihre ganz persönlichen Wünsche, Sorgen und Nöte auf den Tisch. Ihn ärgert der übertriebene Ordnungssinn der Gattin, sie fühlt sich unausgefüllt und vom Ehemann nicht ernst genommen. Drei Kinder groß gezogen, der letzte Sohn ist nun auch ausgezogen, Laurence fühlt sich überflüssig, sieht keine Aufgabe für sich in den nächsten Jahren. Endzeitstimmung kommt auf: "Wenn das Schiff untergeht, muss jeder sehen, wie er klar kommt!").

Diese und andere Probleme, die wohl viele Eheleute kennen werden, bereitet die Komödie ebenso komisch wie tiefschürfend auf. Herbert Hermann, der auch Regie führt, lässt sich und Nora von Collande als Laurence bei allen Turbulenzen bis hin zu Kissenschlachten, in denen die beiden Vollblutschauspieler so richtig "dem Affen Zucker geben" können, freie Hand, ihr überragendes komödiantisches Talent zu beweisen. Hier wird glaubwürdig und mit vielen Zwischentönen bestes Boulevardtheater geboten. "Anderthalb Stunden zu spät" ist eine Screwball-Komödie in allerbester Theatertradition.

Bis es zum Happy End kommt und beide - wenn auch so kräftig verspätet, wie es der Titel des Stücks erkennen lässt - doch noch zu den Freunden gehen, tobt ein Scharmützel auf der Bühne, das dem Publikum viel Freude bereitet. In einem bestens gelungenen Bühnenbild von Anja Wegener, das für eine Tourneeproduktion recht aufwändig ist, macht Nora von Collande sowohl im knappen Minirock wie im Malerkittel eine gute Figur und Herbert Hermann, der seit mehr als vier Jahrzehnten auf der Bühne steht, ist immer noch der richtige Typ für derartige Rollen, die er mit prallem Leben zu füllen weiß. Langanhaltender Beifall belohnte die beiden Akteure für diesen vergnüglichen Abend im ausverkauften Forum.

(jka)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort