Solingen Für Lehman-Opfer kämpfen

Solingen · Der 77-jährige Höhscheider ist einer von acht Solinger Opfern der Lehman-Brothers-Pleite, die auf Schadenersatz klagen und dabei von der Verbraucherzentrale am Werwolf unterstützt werden. Ein beispielhafter Fall.

Der Schock sitzt naturgemäß tief, und der 77-Jährige hat ihn noch nicht überwunden. Der Höhscheider hätte sich jedenfalls nicht träumen lassen, dass er und seine Familie jemals vom Zusammenbruch einer amerikanischen Investmentbank derart betroffen sein könnten. Sie sind Opfer der Lehman-Brothers-Pleite vor gut einem Jahr.

"Wir haben keine große Hoffnung mehr, unser Geld jemals wieder zu sehen", berichtet er. Wenn man sehe, wie viele Milliarden an faulen Papieren über den Tisch gegangen seien. Bei einer Bank, die inzwischen aufgelöst sei, sei doch aus der Konkursmasse nichts mehr zu holen. Dennoch: Der Höhscheider kämpft und hat nun zudem seine Ansprüche gegen den Insolvenz-Verwalter in den USA geltend gemacht.

"Wir wollten unser erspartes Geld gut anlegen" und glaubten, es sei sicher. 70 Lehman-Zertifikate hatte er vor über zwei Jahren auf Anraten seines Solinger Bankberaters geordert – für 71 400 Euro.

Das ist kein Einzelfall. Dagmar Blum, Leiterin der Verbraucherzentrale am Werwolf, berichtet von zahlreichen Bankkunden, die sich an die hiesigen Verbraucherschützer gewandt haben. Zu diesen gehört auch der 77-jährige Höhscheider. Er ist einer von acht Fällen von Citibank-Kunden, für die eine Rechtsvertretung übernommen wurde – wegen einer möglichen Falschberatung. Die Verbraucherzentrale NRW hat nach Blums Worten mit der Citibank eine Kulanzregelung für Lehman-Zertifikate vereinbart. Bei der Vielzahl der Fälle sei diese Bank besonders aufgefallen. Viele ältere Leute seien betroffen.

Tanja Janz, Pressesprecherin der Citibank, entgegnet auf Anfrage unserer Zeitung: "Die Ende Mai gemeinsam mit der Verbraucherzentrale NRW vereinbarte Kulanzlösung ist für die von der Lehman Brothers Insolvenz besonders hart betroffenen Kunden unserer Bank. Wir sehen es als sehr transparentes und faires Verfahren, weil wir die Kriterien für eine Erstattung offen legen."

Der 77-jährige Höhscheider hat, wenn man so will, noch Glück, und wird mit seiner Frau durch den Verlust seines Geldes nicht in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.

"Wir hatten Vertrauen zum Bankberater", der die US-Papiere empfohlen habe. "Wenn man da sitzt, die Renditeversprechungen hört und die entsprechenden Tabellen mit den steigenden Kursen vorgelegt bekommt, hat man als normaler Bankkunde eigentlich keine Chance, das zu überprüfen." Also unterschreibe man, sagt er. Heute würde ihm und seiner Frau das so nicht mehr passieren. "Wir sind viel kritischer geworden. Wenn wir etwas von der Bank angeboten bekommen, gehen wir erst einmal in Abwehrstellung – und bei Aktien und Zertifikaten sowieso." Auch im Bekanntenkreis hat er diesen Sinneswandel erlebt: "Der Bankkunde ist jetzt allgemein kritischer geworden."

Verbraucherschützerin Dagmar Blum rät ohnehin grundsätzlich zu einem gesunden Misstrauen, auch bei Bankgeschäften. "Das sind Anbieter. Die wollen verkaufen und bekommen oft Provisionen, auch wenn es um Versicherungen gehe. Die Leiterin der hiesigen Verbraucherzentrale empfiehlt, sich mit Informationen zu wappnen und gut vorbereitet in ein Bankgespräch zu gehen. "Das macht den Verbraucher selbstbewusst." Ihr Rat: Von komplizierten Geldanlagen, die man nicht verstehe, solle man die Finger lassen. Als Grundsatz gelte, je höher die Rendite, desto größer das Risiko. Deshalb ist nach ihren Worten bei hohen Renditeversprechen besondere Vorsicht geboten.

(RP)
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