Remscheid Gewalt gegen Polizisten und Helfer steigt

Remscheid · Beamte und Rettungsdienst-Mitarbeiter klagen über zunehmende Anfeindungen, denen sie ausgesetzt sind. Immer mehr Menschen verlieren bei scheinbar harmlosen Streitigkeiten die Nerven - und schlagen zu.

 Wenn der respekt fehlt - Bei Einsätzen werden Polizisten vermehrt angepöbelt, beleidigt beschimpft und auch so angegriffen, dass sie verletzt werden.

Wenn der respekt fehlt - Bei Einsätzen werden Polizisten vermehrt angepöbelt, beleidigt beschimpft und auch so angegriffen, dass sie verletzt werden.

Foto: Christoph Reichwein (archiv)

Es war ein typischer Fall. Erst vor wenigen Wochen kam es in Solingen vor einer Polizeiinspektion zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen Beamten sowie den Mitgliedern einer Großfamilie. Zunächst hatte - aus nichtigem Anlass - ein Wort das andere gegeben. Doch am Ende des Streits stand eine traurige Bilanz: ein leichtverletzter Polizist sowie mehrere Randalierer, die für Stunden in Gewahrsam genommen werden mussten, bis sie sich wieder beruhigt hatten.

Gewaltausbrüche, die scheinbar wie aus dem Nichts kommen - tatsächlich beobachten die Verantwortlichen bei Polizei sowie Hilfsorganisationen bereits seit längerem ein Phänomen, das ihnen auch im Bergischen zunehmend Sorgen bereitet. "Die Hemmschwelle vieler Menschen sinkt", sagte jetzt beispielsweise Polizeisprecher Stefan Weiand. Remscheids Feuerwehrchef Guido Eul-Jordan formuliert es so: "Es gibt immer wieder Situationen, in denen wir Probleme mit schwierigem Klientel haben, oft sind Alkohol und Drogen im Spiel, schlechte Erziehung kommt hinzu." Der Feuerwehrchef spricht bereits von einem "Trend" hin zur Respektlosigkeit gegenüber den Einsatzkräften. Das lange bestehende Image vom "guten Feuerwehrmann" verwischt zunehmend, zumindest in bestimmten Kreisen der Bevölkerung. "Das ist aber inzwischen ein Thema in der gesamten Stadtverwaltung", sagt Eul-Jordan.

Eine Entwicklung, auf die Polizei sowie die Hilfsdienste mit differenzierten Strategien reagieren. "Wir begegnen solchen Respektlosigkeiten mit null Toleranz", sagt Eul-Jordan. So würden Beleidigungen umgehend und konsequent zur Anzeige gebracht. Auch Ordnungsamtschef Jürgen Beckmann fährt diesen Kurs. Nicht nur Politessen würden angepöbelt, auch im Ausländeramt, in der Führerscheinstelle und beim Bürgerservice verschärfe sich der Ton. Das Repertoire der Beleidigungen reiche von "Alte Schlampe" bis hin zu "Zieh doch wieder die braune Uniform an." Die Stadtverwaltung entwickele derzeit eine "interne Gefährdungsbetrachtung" auf deren Grundlage Mitarbeiter konkrete Handreichungen für ihr Verhalten bekommen sollen. Zudem gehören sogenannte Deeskalationstrainings schon seit geraumer Zeit zur Aus- beziehungsweise Fortbildung der Beamten sowie der Rettungsdienstmitarbeiter.

Das ist offenbar nötig. Rainer Morteln aus Remscheid fährt seit 25 Jahren ehrenamtlich im Rettungswagen mit. "Verbale Attacken nehmen zu, die Hemmschwelle sinkt", berichtet der DRK-Kreisgeschäftsführer in Remscheid auch aus eigener Erfahrung. Ihr wart zu langsam! Macht Ihr auch alles richtig? Anlässe zu Schimpftiraden sind häufig ähnlich. "Manche sind mit der Situation überfordert und brauchen ein Ventil", sagt der Rettungssanitäter des DRK. "Bis zu einem gewissen Grad muss man damit umgehen, doch gibt es Grenzen, notfalls alarmieren wir die Polizei." Als besonders störend empfindet Morteln Gaffer, die immer häufiger ihre Handys auch auf Verletzte richten und zunehmend penetranter werden. "Manche würden am liebsten mit in den Rettungswagen steigen."

So fährt bei jedem Einsatz die Angst mit, eine Lage könnte jederzeit eskalieren. Und das nicht erst seit einigen Wochen, als Rettungssanitäter in Gelsenkirchen gleich in zwei Fällen angegriffen und verletzt wurden - unter anderem von den Angehörigen einer Frau, der die Feuerwehr-Mitarbeiter nur helfen wollten.

Dabei lassen sich durchaus bestimmte Muster erkennen, die verbale oder gar körperliche Attacken wahrscheinlicher machen. "Viele Täter sind männlich, relativ jung und eben oft alkoholisiert", sagte Polizeisprecher Weiand, der gleichzeitig klarstellte, seine Kollegen würden bei Auseinandersetzungen zunächst - wo es geht - versuchen, mäßigend auf Störenfriede einzuwirken. "Wir bleiben so lange wie möglich sachlich und überhören zudem auch schon einmal eine Beleidigung", hieß es vonseiten der Polizei.

Vor allem bei familiären Streitigkeiten ist Fingerspitzengefühl gefragt. Indes kommt es immer wieder vor, dass die Beamten doch eingreifen müssen - beispielsweise dann, wenn es gilt, Platzverweise durchzusetzen. "Im Zweifelsfall sind wir gefordert, Maßnahmen mit Zwang Geltung zu verschaffen", betonte der Polizeisprecher.

Darüber hinaus unterstrich die Polizei, die Beamten allein seien bei der Bekämpfung zunehmender Gewalt überfordert. "Die Ursachen sind vielfältig - und bei jüngeren Leuten sind auch die Eltern sowie die Lehrer in der Pflicht", sagte der Sprecher.

Allerdings sind es nicht nur Jugendliche, die für Ärger sorgen. So ging bei dem Gewaltausbruch vor ein paar Wochen an der Solinger Polizeiinspektion die Aggression zunächst von einem erwachsenen Mitglied der Familie aus. Was wiederum für den Mann sowie seine Verwandten noch unangenehme Folgen haben dürfte. Denn die Polizisten erstatteten Anzeige, so dass am Ende eine Strafe stehen könnte.

(RP)
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