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Ratingen Die Glockentöne stammen aus einem Guss

Ratingen · Ellen Hüesker weiß generell, wo die Glocken hängen: "Ich weiß aber auch, wo die Glocken aus unserer Firma hängen." Die gelernte Ingenieurin für Metallurgie und Werkstoffkunde ist in der traditionsreichen Firma Petit & Edelbrock für die begleitenden Arbeiten rings um die Glocken zuständig.

 Festgemauert: Der erste Teil der Glockenform, der "Kern", wird hohl mit Ziegeln aufgemauert.

Festgemauert: Der erste Teil der Glockenform, der "Kern", wird hohl mit Ziegeln aufgemauert.

Foto: Petit & Edelbrock

Sie weiß, wo und wie sie hängen, denn sie ist in das Unternehmen hineingewachsen, das von den Vorfahren ihres Mannes Hans Göran nachweislich seit 1690 und deshalb jetzt in der zwölften Generation betrieben wird. Und etliche der Glocken aus Gescher läuten auch in Ratingen: Es sind drei im Turm von St. Suitbertus, von St. Jakobus d. Ä. in Homberg, in der Höseler Adolf-Clarenbach-Kirche, in St. Anna in Lintorf, im Ratinger St. Marien-Krankenhaus, im gegenwärtig verhüllten Herz-Jesu-Turm. Und in St. Peter und Paul, wo vier Edelbrocksche Glocken hängen, musste nachgearbeitet werden, als sich ein Klöppel aus der Verankerung gelöst hatte. Das ist wieder in Ordnung, niemand wurde verletzt.

 Festgestampft: Im Gänsemarsch gehen die Mitarbeiter durch die Grube, um die Erde, die nach und nach eingefüllt wird, gleichmäßig zu verdichten.

Festgestampft: Im Gänsemarsch gehen die Mitarbeiter durch die Grube, um die Erde, die nach und nach eingefüllt wird, gleichmäßig zu verdichten.

Foto: NN

Im Turm dort hängt ein großes Geläut aus sieben Glocken, von denen drei aus dem Mittelalter stammen. Die große Marienglocke, auch Merg oder Märch genannt, wird als eine der klangschönsten gotischen Glocken des Rheinlandes neben den Kölner Domglocken Pretiosa und Speciosa gerühmt. Die übrigen Glocken kamen in der Nachkriegszeit hinzu und ersetzen drei Glocken von 1926, die im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden waren. Drei der "Nachkriegs-Glocken" sind in den Jahren 1958 gegossen worden, eine, die "Edith Stein" heißt, mit rund 423 Kilogramm Gewicht, kam im Jahr 1994 dazu.

Die Christkönigglocke aus Gescher wiegt anderthalb Tonnen, der Durchmesser beträgt rund 1,34 Meter, die Franziskusglocke wiegt eine knappe Tonne, der Durchmesser hat 1,18 Meter. Die Annaglocke ist ein wenig kleiner, hat einen Durchmesser von einem knappen Meter und wiegt um die 500 Kilogramm. Bei Petit und Edelbrock wird eine Glocke genauso gegossen wie bei Schiller: nach dem Wachsausschmelzverfahren. Und wie's denn genau vonstatten geht, hat sich auch die Maus für ihre gleichnamige Sendung im westlichen Münsterland angesehen. Ursprünglich waren es sechs TV-Beiträge, die inzwischen zu einem dreiviertelstündigen Special zusammengestellt worden sind. Eine besondere Gestalt in der Glockengießerei war Florence Hüesker, die ab 1979 nach dem Tod ihres Mannes die Firma in seinem Sinne weiterführte, weil sie sich unter seiner Anleitung viele Jahre lang auf den Beruf als Glockengießerin hatte vorbereiten können.

1988 hat sie die damals schwerste Glocke nach dem Krieg gegossen, die 13 Tonnen wog, Stupa genannt wird (Stupa kommt aus dem Sanskrit und bezeichnet ein buddhistisches Bauwerk) und heute vergoldet in einem tibetanischen Meditationszentrum bei San Francisco/USA steht. Diese Glocke war so groß, dass sie die Gießerei durchs Dach verlassen musste. Bis zu ihrem Tode im Februar 1995 goss sie etwa 2400 Glocken, wobei die "Papstglocke" besonders zu würdigen ist. Diese fast 5000 Kilogramm schwere As°-Glocke wurde in Anwesenheit einer Vatikanischen Gesandtschaft am 31. Oktober 1980 um 22 Uhr gegossen. Vor dem entscheidenden Schritt des Glockengusses, nach langwierigen und alles entscheidenden Vorbereitungen, wird der Schmelzofen Stunden vorher aufgeheizt und mit der Glockenspeise beschickt, die aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn besteht. Bei etwa 1100° Celsius hat die Bronzeschmelze die erforderliche Gusstemperatur. Später erstarrt die Bronze in den Formen. Tage später erst sind die Glocken ausreichend abgekühlt und werden ausgegraben, von ihrem Mantel und Kern befreit, gereinigt und musikalisch geprüft.

Mit den nötigen Armaturen werden sie im Glockenstuhl montiert. Bei Schiller heißt es abschließend: "Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute".

(RP)
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