Neuss Gepfändet, verboten und überlebt

Neuss · Grefrath Man schrieb den 20. Januar des Jahres 1706 als in Grefrath die St. Stebastianus-Schützenbruderschaft gegründet wurde, die so etwas wie die Nachfolgerin der Marienbruderschaft wurde. Diese Bruderschaft darf am Sonntag ihr 300-jähriges Bestehen feiern. Im Jubiläumsjahr steht Präsident Heribert Wolters an der Spitze der Gemeinschaft, die durch Schützenkönig Jürgen Marks repräsentiert wird.

Rechnungen, die der Nachwelt erhalten blieben, belegn: Schon 1702 hat es in Grefrath Schützensilber gegeben. Daraus kann wiederum geschlossen werden, dass es vorher in irgendeiner Form ein Schützenwesen gab. Zu diesem Ergebnis jedenfalls kommt der inzwischen verstorbene Matthias Küppers im ersten Teil der Vereinschronik.

Zum Präses der neu gegründeten Bruderschaft wurde Pfarrer Jakobus Schmitz gewählt, dem als Stellverertreter der Vikar zu Grefrath, Johannes Rippegater zur Seite stand. In den folgenden Jahren wuchs die Gemeinschaft, der auch Frauen angehörten, mehr und mehr, sodass die Bruderschaft 1725 bereits 134 Mitglieder zählte. Wenn sie auch in erster Linie eine kirchlich orientierte Bruderschaft war, so war sie aber auch Schützenbruderschaft. Mitglieder konnten nur gut beleumundete Angehörige der Pfarre St. Stephanus werden. Aber erst 1855 wurde das Eintrittsalter auf 18 Jahre heraufgesetzt.

Der Höhepunkt im Jahresablauf der Bruderschaft war neben dem St. Sebastianustag die Übung mit der Waffe im Vogelschuss. Bruderkönig zu werden, war immer die höchste Auszeichnung, wobei der jeweilige Bruderkönig bestimmte, ob ein Schützenzug stattfand.

Der Vogelschuss fand in der Regel am Sonntag vor Pfingsten statt, Umzüge wurden auf Pfingstdienstag gelegt. Damit verbunden war ein Festmahl der Schützenbrüder, "Kornreid" genannt. Die Teilnehmer des Zuges wählten ihren Major und Hauptmann in eigener Regie.

Die Bekleidung der Brüder bestand meistens aus Gehrock oder dunklem Anzug mit rot-weißer Schärpe. Möglich war aber auch ein Mitwirken im "einfachen Sonntagskleid". Dem Zug voran wurden der Hauptmannsstab und die Fahne getragen. Am Abend gab es Freibier. Dieses Bruderbier wurde auch "Sebastianus-Geloch" genannt.

In der Zeit des Kulturkampfes im 19. Jahrhundert beschlagnahmte die preußische Obrigkeit das gesamte Vermögen der Gemeinschaft. 1874 musste die Bruderschaft gar aufgelöst werden. Zur Neugründung kam es erst 1920. Die Idee dazu hatten einige Männer, als sie in der Gaststätte Heinrich Krüppel (Samstag "Alte Backstube") beisammen saßen.

Früh- und Spätkirmes wurden zwar in Grefrath gefeiert - ein Schützenfest allerdings vermisst. Im Saal von Girmes gab es am 3. Oktober 1920 eine als kirchliche Veranstaltung bezeichnete Zusammenkunft, die unter dem Vorsitz von Adam Klapdor die Wiedergründung der Bruderschaft beschloss. Präsident wurde Daniel Pohlhausen vom Böxhof.

Belgische Besetzung und Ruhrkampf ließen die Schützenfest 1923 und 1924 ausfallen. Zwang übten auch Nationalsozialisten aus. 1934 wurde die St. Sebastianus-Schützenbruderschaft in Schützenverein Grefrath umbenannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg regte sich 1949 in Grefrath wieder das Schützenblut.

In einer Versammlung am 4. September 1949 beschlossen die Teilnehmer, die Bruderschaft wieder aufleben zu lassen, wobei der damalige Pfarrer von St. Stephanus, der aus Neuss stammende Josef Esser, eine entscheidende Rolle spielte. Er stellte in der Versammlung die Frage: Schützenverein oder Bruderschaft - und das Votum war einstimmig: Eine Bruderschaft war wiedergeboren.

(NGZ)
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