Moers Simon Krivec enthüllt Dopingsystem

Moers · Ein Moerser Apotheker schreibt eine Geschichtes des deutschen Anabolika-Missbrauchs in der Leichtathletikszene.

Da hat der Junior dem Senior die Schau gestohlen. Gerade hat der Volleyballdrittligist MSC Moers mit einem glanzvollen 3 : 0 über Fortuna Bonn den Wiederaufstieg in die zweite Liga klargemacht, aber Sport-Deutschland spricht nicht über die Pläne des prominenten MSC-Präsidenten Krivec, sondern über seinen Sohn Simon. Der wird in der kommenden Woche seine Dissertation veröffentlichen. Titel: "Über die Anwendung von anabolen androgenen Steroiden in der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis 1988 unter besonderer Berücksichtigung der Leichtathletik" Darin weist Krivec junior (29) nach, dass nicht nur in der DDR, sondern auch im Westen Doping unter Spitzenathleten weit verbreitet war.

Wir treffen Krivec in einem Büroraum am Altmarkt in Moers. Eigentlich arbeitet hier sein Vater, Günter Krivec. Simon leitet zwei Apotheken in Krefeld: die Mühlen- und die Brunnen-Apotheke. Aber heute hat er sich nach Moers zurückgezogen, weil er etwas Ruhe haben will: "Seit Samstag klingelt bei mir pausenlos das Telefon", sagt Krivec. Am Samstag hatten die Tagesthemen einen großen Bericht über Krivecs Dissertation gebracht. Darin weist der 29-jährige nach, dass auch im Westen Deutschlands in bestimmten Sportarten Doping zur Steigerung des Muskelaufbaus an der Tagesordnung war.

Krivec hatte 121 Spitzen-Leichtathleten angeschrieben, bei denen er anhand historischer Ergebnislisten plötzliche Sprünge im Leistungsvermögen festgestellt hatte. 61 Personen antworteten. 31 gaben ganz offen zu, teilweise über Jahre gedopt zu haben. "Sechs von ihnen", sagt Krivec, "waren sogar bereit, mit Namen genannt zu werden." In seiner Promotionsschrift, die in der kommenden Woche veröffentlicht werden soll, sind zahlreiche Rezepte abgedruckt, mit denen die Athleten die seit den 70er Jahren verbotenen Substanzen bezogen hatten. Zudem untersucht die Studie mögliche Gesundheitsschäden durch Doping. Eine direkte ursächliche Zuordnung zwischen Doping und Krebs oder Herz-Erkrankungen sei allerdings nicht möglich, da dazu die Anzahl der Probanden schlicht zu klein sei. Doch die von der Universität Hamburg mit der Note "sehr gut" bewertete Arbeit reicht als Nachweis allemal aus, dass es beim Doping keinen "sauberen" Westen gab, der sich gegen die Machenschaften eines "schmutzigen" Ostens behaupten musste.

Der Kern für das Interesse an dem Thema wurde in der Familie Krivec gelegt. Der Vater war Olympiateilnehmer und Deutscher Meister im Dreisprung. "Er selbst hat nie gedopt. Das hätte in seiner Sportart auch nichts gebracht", sagt Krivec. Aber als Pharmazeut bekam er natürlich mit, was vor allem in den Wurfdisziplinen und bei den Mehrkämpfern so abging.

"Da herrschte völlige Unkenntnis", erinnert sich Günter Krivec (74). "Ich habe noch das Bild vor Augen, als einmal unter Mehrkämpfern der Satz fiel: "Eins ist gut, zehn ist besser." Mit seinem Sohn unterhielt er sich häufig über das Thema. Nicht ohne Folgen: Simon Krivec hatte früh seine sportliche Karriere wegen einer schweren Knieverletzung beenden müssen. "So habe ich mich viel mit den Randbedingungen des Sports beschäftigt", erinnert sich Krivec junior. Nach Abschluss seines Studiums habe er dann nach einem Promotionsthema gesucht, das ihm auch Ablenkung vom täglichen Stress in der Apotheke biete. Das hat er gefunden. Jetzt bräuchte er eine neue Ablenkung: vom Medien-Stress.

(RP)
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