Mönchengladbach So bunt sind Gladbachs Veedel

Mönchengladbach · Fünf Dörfer – Tausende Jecken: Bei den Zügen durch die Orte zeigten die kleinen Gesellschaften und Dorfgemeinschaften gestern viel Einfallsreichtum. Sie präsentierten ausgefallene, selbst gemachte Kostüme, kreative Wurftechniken und neue Schlachtrufe. Einer davon: Bein hoch!

Piraten, Meckis, Früchtchen

hardt (mfe) Die Sonne lachte – beste Voraussetzungen für den 45. Kinder-Rosenmontagszug in Hardt, der sich um 11.11 Uhr in Bewegung setzte. Knapp 12 500 Jecke, darunter vor allem Eltern mit ihren Kindern, verfolgten den Veedelszoch, der von der Wilkener Straße startete. Von dort aus schlängelten sich die rund 40 Wagen und Fußgruppen bis zur Louise-Gueury-Straße. Nicht nur die jungen Besucher waren begeistert von den Piraten, Meckis, Früchtchen, Wikingern, Meerjungfrauen, Marienkäfern und vielem mehr. Neben den vielen "Maar Moot"-Rufen, mit denen sich auch die Menschen abseits des Zugs an den jecken Tagen begrüßten, waren von allen Seiten Kinder zu hören, die "Hey Mama, guck mal, das ist doch..." riefen. Für die vorbeimarschierenden Fußgruppen eine große Freude, dass ihre Darstellungen auch wirklich Wiedererkennungswert hatten.

Simone Hartmann kommt schon seit sechs Jahren mit ihren Kindern zum Hardter Kinderkarneval. Dieses Jahr war sie mit ihrem achtjährigen Sohn Tobias, der als Formel-1-Fahrer verkleidet war, und ihren Zwillingen Jana und Luca (5) als Maus und Clown unterwegs. "Ich finde den Zug hier immer besonders schön für Kinder. Keine Aggressivität oder übermäßig Betrunkene, und auch die Dauer von 45 Minuten, in denen der Zug einmal an einem vorbei ist, ist selbst für kleine Kinder nicht zu lang", sagte sie, während ihre Kinder begeistert die große Kamelle-Ausbeute begutachteten. An Platz 32 des Zuges, also fast am Ende, gab es dann auch ein Wiedersehen mit den MaarMooties, die dieses Jahr als Marge Simpson auftraten. Gegen 14 Uhr hatte sich der Zoch komplett aufgelöst und viele Teilnehmer strömten zur After-Zoch-Party in der Bezirkssportanlage des SC Hardt.

720 Jecken, 27 Fußgruppen

Neuwerk (cli) 30 000 Jecken säumten gestern den Weg beim Neuwerker Veedelszoch. Schon vor dem Abmarsch freuten sich die Neuwerker Karnevalisten auf die kommenden Stunden. "Das ist wie an Weihnachten, wenn man auf die Bescherung wartet", sagte Zugleiter Horst Meyer. Um Punkt 13.11 Uhr machten sich 720 Jecken in 27 Fußgruppen und auf 13 Wagen auf den Weg durch ihren Stadtteil. Mit dabei waren auch die gelb-blauen Funken des Oberbürgermeisters. Sie schossen mit ihrer Kanone immer wieder Salut. Auf dem Wagen der Volksbank stand das Kinderprinzenpaar der Stadt Alan I. und seine Prinzessin Celina. Für den Prinzen war der Neuwerker Veedelszoch ein echtes Heimspiel. Er wohnt in Neuwerk und sein Vater ist Literat der KG Uehllöeker Neuwerk.

Zum ersten Mal im Neuwerker Zoch mit dabei war die Freiwillige Feuerwehr. Sie sorgt zwar seit vielen Jahren für die Sicherheit im Zug, doch das reichte den Feuerwehrmännern nicht mehr. "Wir wollten auch einmal selber als Gruppe mitziehen", erzählte Einheitsführer Markus Maaßen. Verkleidet als kleiner Drache Grisu ging die 25-köpfige Gruppe hinter einigen Vulkanen her. Unter der Leitung von Wilma Wienen hatten sich die Frauen der Turnerschaft als Rasen verkleidet und trugen Fußbälle als Kopfbedeckung. Für Livemusik sorgten die Heimatfreunde. Sie spielten auf ihrem Wagen Musik. Dahinter gingen jede Menge Klitschko-Brüder. Sportlich zeigten sich die Damen der Uehllöeker. Sie waren als riesige blau-weiße Turnschuhe verkleidet. Neben jeder Kamelle warfen die Neuwerker Jecken auch Putzschwämme, Fußbälle und die ersten Osterglocken.

Niemand zu Hause – alle beim Zug

Gerkerath (leb) Kinderprinz Moritz I. fährt sich mit einem Gokart vor der Zugaufstellung in Gerkerathwinkel warm. Er trägt eine schwarze Sonnenbrille und rote Prinzenmütze. Der Achtjährige ist Fan von schnellen Autos und hat sich als Motiv für den Kinderprinzenwagen Rennautos gewünscht. Diese Idee des Prinzen hat Wagenbauer Wolfgang Vomweg umgesetzt und den ersten Entwurf zum offiziellen MKV-Motto "Mach mit! Karneval hält fit" überpinselt.

Diese Szene zeigt, wie unkompliziert es beim Gerkerather Rosenmontagszug zugeht: Wer kurzfristig noch mitfahren will, der ist willkommen – wie die beiden Brüder Sebastian und Johannes Schaffer, die vorher mit ihrer Mutter Bonbons eingekauft haben und diese nun in Tüten und Taschen zum Treffpunkt an der Gaststätte "Haus am Wald" transportieren. "Werfen ist halt noch schöner als aufsammeln", sagt Eva-Maria Schaffer.

Häuser und Zäune entlang der Straße von Gerkerathwinkel nach Gerkerath sind mit bunten Luftballons geschmückt. Sie bedeuten: niemand zu Hause, alle beim Zug. 800 bis 1000 Jecken warten auf den kleinen Zoch. "Zuschauer und Einwohner – da gibt es kaum einen Unterschied", sagt Wagenbauer Vomweg. Wer nicht am Straßenrand wartet, der geht garantiert beim Zug mit – als Shaun dat Schoop (Dorfgemeinschaft Merreter und Knoor), als Skiläufer (Der erste Skiclub aus Kothausen), als Frühlingsblume (Turngruppe Gerkerath) oder als Holländer (Gäste aus den Niederlanden). "Wir bekommen sehr viel Unterstützung aus den Nachbarorten", sagt Vomweg. 100 Teilnehmer waren es beim gestrigen Rosenmontagszug. "Unser Zug ist klein, aber fein. Das macht ihn so besonders", meint Petra Wolters, die sich vor dem Gerkerather Friseursalon warm schunkelt.

Kinderprinz Moritz I. ist zufrieden und ein bisschen aufgeregt: "Es ist ja erst das zweite Mal, dass ich auf einem so großen Wagen mitfahren darf." Von seiner Zugpremiere am Sonntag in Rheindahlen habe er zwar noch ein bisschen Rückenschmerzen, aber das Kamellewerfen sei kein Problem. In Gerkerath riefen die Jecken gestern "Bein hoch" und nur selten "Halt Pohl!" Warum? Vomweg erklärt: "Als der Prinz klein war, konnte er den Schlachtruf nicht richtig sagen. Das haben wir uns nun zu eigen gemacht."

Wo es den schönsten Karneval gibt

Wanlo (lest) Ein Cowboy und zwei Indianer lehnen an einer Hauswand, die Gesichter der Sonne zugewandt. Eine Gruppe Piraten gesellt sich dazu. Beim Karnevalszug in Wanlo treffen vor allem Freunde und Nachbarn aufeinander. Viele Familien sind zu sehen, aber auch eine Menge Jugendliche. Die Mädchen sind größtenteils als Hippies verkleidet. Sie sehen fast alle so aus, wie die englische Schauspielerin Sienna Miller. Also: sehr hübsch. Den Jungs schwebten bei der Kostümwahl praktischere Beweggründe vor. Das wird jetzt bestraft. So mancher Löwe kommt in der prallen Mittagssonne unter seinen Plüschohren ganz schön ins Schwitzen. Und auch der überdimensionale Froschkönig ist ganzkörperverkleidet. "King of Love" steht auf seiner knallgrünen Plüschbrust. Die Hippie-Mädchen finden das gut.

Während es bei der Jugend also um das ganz banale "Sehen und gesehen werden"-Prinzip geht, haben sich die kleinen Karnevalisten schon am Straßenrand postiert. Obwohl es erst in einigen Minuten losgeht, halten sie die Kamelle-Tüten auffangbereit in den Händen. Und dann kommt auch endlich der erste Wagen die Kuckumer Straße herauf geknattert. Unter viel "Helau" wirbeln Mini-Popkorn-Tütchen durch die Lüfte. Der Wagen der KG Wanloer Ströpp folgt. Der rot-weiße Festzug ist mit Clowns und einem großen Harlekin geschmückt. Hintendrein laufen die Mitglieder der Prinzengarde. Die Antonius Feuerwehr lässt sich von den Wanloern bejubeln und verteilt dafür fleißig Kamelle. Nur die Jungschützen der Bruderschaft St. Antonius Sebastianus haben gleich doppelt Pech: Ihnen bricht kurz vor der Abfahrt ein Reifen durch. Der zum Segelschiff umgewandelte Handwagen bleibt also im Hafen zurück, die Gruppe geht zu Fuß. Hintendrein fahren und laufen die Mitglieder des Kegelclubs Himmelblau Sie haben seit vielen Jahren einen Ehrengast unter sich, der extra aus seiner Wahlheimat Mallorca angereist kommt. Denn, so sagt der gebürtige Franzose David Legendre-Ibanez, "so schön wie in Wanlo, ist Karneval nirgends."

Prinzenpaar im Dschungelexpress

pesch (lau) "Kompanie, ein Lied! Stets ein Lied zum Marsch parat, das ist wichtig, Kamerad". Schon von weitem hört man die vertraute Stimme aus dem Disneyfilm "Das Dschungelbuch". Doch um die Ecke biegt nicht Colonel Hathi mit seiner Frühpatrouille, sondern der Wagen der KG Halt Uut Pesch. An Bord: das Kinderprinzenpaar, Michelle I. und Justin I.. Die Besatzung des Dschungelexpress´ ist in Wurflaune. Schon zu Beginn des Zuges fliegt die Kamelle über die Reyerhütter Straße und wird von Jung und Alt erfreut aufgefangen. "Halt Uut", und nicht "Halt Pohl!", ruft in Pesch, wer Kamelle ergattern möchte. Das Wurfmaterial besteht nicht nur aus Bonbons. Die Zaungäste werden mit Tragetaschen, Taschentüchern und Wattestäbchen beglückt. Sieben Fußgruppen tummeln sich vor und hinter dem Umzugswagen. Neben dem heimischen Adel ist nur das Kinderprinzenpaar aus Hardterbroich motorisiert unterwegs – im Renault Twingo mit offenem Verdeck.

Der TuS Jahn ist zu Fuß unterwegs. Gertrud Loock erklärt die Kostüme: "Wir sind Mumien, die zu Karneval wieder erwachen und das angezogen haben, was sie spontan gefunden haben, nämlich Pappnase, Schirm und Mütze". Keine Kleiderordnung gibt es in der Grundschule Pesch. Die Schüler duften anziehen, was sie wollten. Heraus kam ein bunter Mix aus Prinzessinnen, Cowboys und Star Wars-Kriegern. Für Laura und Jan ist es der erste Karnevalsumzug. "Meine Freunde stehen am Rand und warten auf die Kamelle", sagt die Sechsjährige.

(RP)
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